Vom Nachbarschaftsstreit bis zur Scheidung: Am Amtsgericht in Bad Cannstatt werden Themen verhandelt, die mitten im Leben der Menschen spielen. Andreas Holzwarth ist dort der neue Direktor.

Bad Cannstatt - Schneller als gedacht konnte Andreas Holzwarth sein Büro im Amtsgericht Bad Cannstatt beziehen. „So schnell, dass ich in einer Nacht- und Nebelaktion am Wochenende mein altes Büro leer geräumt habe“, erzählt er und lacht. Der 46-Jährige war zuvor am Oberlandesgericht Stuttgart tätig, nun ist er der neue Direktor des Amtsgerichts. Für so eine Position wird man ernannt; der Ministerpräsident muss sein Signum auf die Urkunde setzen. Aufgrund der bevorstehenden Wahl habe man damit gerechnet, dass dieser Vorgang längere Zeit in Anspruch nehmen würde, erzählt Holzwarth. Doch das Dokument kam postwendend zurück und der Jurist konnte seine neue Stelle antreten.

 

Je zur Hälfte Richter und Verwalter

Was aber macht ein Direktor eines Amtsgerichts eigentlich? „Zu 50 Prozent bin ich als ganz normaler Richter in den Bereichen Zivilsachen sowie Betreuung- und Unterbringungssachen tätig.“ Das geht vom Nachbarschaftsstreit bis zur Einweisung einer Person in die Psychiatrie. Die zweite Hälfte ist mit Verwaltungstätigkeiten ausgefüllt. „Man könnte sagen, ich bin für alles zuständig, wofür kein anderer zuständig ist“, sagt er. Konkret kümmert er sich beispielsweise darum, welcher Richter an seinem Amtsgericht welchen Bereich betreut. Bestimmt wird das zwar vom Präsidium, Holzwarth organisiert aber die Geschäftsverteilung „Es gibt mehr als 20 Richter bei uns, immer ist jemand im Mutterschutz oder die Assessoren wechseln oder Ähnliches“, beschreibt er. Zudem ist er Pressesprecher des Amtsgerichts und entscheidet über Befangenheitsanträge. Gemeinsam mit dem Technischen Verwaltungsleiter betreut der 46-Jährige außerdem die aktuell laufende Sanierung des Gebäudes an der Badstraße.

Eine große Herausforderung steht in naher Zukunft an: In fünf Jahren wird die elektronische Akte eingeführt. „Derzeit wird die Software geschrieben und in Mannheim gibt es einen Probelauf“, erzählt er. „Das ist ein wirklich großes Projekt, das da auf uns zukommt.“ Er freue sich darauf, den Veränderungsprozess zu begleiten, sagt der Direktor.

Damit die Bürger Vertrauen in die Justiz haben

Den Wechsel vom Oberlandesgericht zum Amtsgericht hat Holzwarth ganz bewusst angestrebt. Ihm sei es wichtig, dass die Bürger Vertrauen in die Justiz haben, sagt er. „Dieses wird am Amtsgericht gebildet, denn dort ist man mitten im Leben und nah am Menschen. Wenn es hier nicht gut funktioniert, hat das Auswirkungen auf das gesamte Bild der Justiz.“

Der Vater zweier Zwillingstöchter fühlt sich zwar schon angekommen in Bad Cannstatt, viel gesehen hat er vom Stadtbezirk aber noch nicht. „Bislang kenne ich nur den Bahnhof und den Weg zu meinem Arbeitsplatz“, gibt er zu. Den Weg von seinem Wohnort Schorndorf bestreitet er mit der S-Bahn. Sobald das Wetter besser werde, stehe ein Bummel durch Cannstatt aber auf seiner Agenda. Holzwarth und seine Familie gehören zu den sportlich Aktiven. Sie gehen am Wochenende oft gemeinsam wandern oder fahren mit dem Mountainbike. „Das ist ein guter Ausgleich zum vielen Sitzen bei der Arbeit“, sagt er. Auch wenn der Ausblick auf Bad Cannstatt aus seinem neuen Büro im vierten Stock wirklich ausgezeichnet sei.