Ein Mitarbeiter der Kreissparkasse wird wegen Marktmanipulation angeklagt. Sein Fehler war ihm nicht bewusst – und profitiert hat er von dem Wertpapiertransfer in keiner Weise. Der Fall zeigt, wie der Börsenhandel überwacht wird.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Für den Angeklagten ist es „ein Wahnsinn“: Der Vermögensverwalter der Kreissparkasse Böblingen hat kurz nacheinander für einen Kunden Zinspapiere verkauft und die gleiche Geldanlage für zwei andere Kunden gekauft. Wegen drei Verbrechen der schweren Marktmanipulation ist er deshalb am Amtsgericht Böblingen angeklagt worden. „Ich bin fix und fertig“, sagt der 44-Jährige in der Verhandlung. Profitiert hat er von dem Handel nicht – weder finanziell noch durch eine Form der Anerkennung. Der Angeklagte hatte nur das Wohl der Kunden im Kopf und nicht das strenge Börsengesetz. Marktmanipulation muss eigentlich mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet werden.

 

Die Kontrollsoftware entdeckte den Deal

Am 1. Dezember vor etwas mehr als drei Jahren platzierte der Vermögensverwalter die illegalen Orders. In der Nacht entdeckte eine Kontrollsoftware der Bank den Handel, am nächsten Tag reagierte gleich die Compliance-Abteilung, die sich darum kümmert, dass in dem Geldinstitut alles rechtmäßig abläuft. Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gab die Kreissparkasse eine Verdachtsmeldung ab, dazu ist sie nach dem Wertpapierhandelsrecht verpflichtet. Diese Behörde zeigte den Vorgang dann bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart an.

„Ich hatte keine Problematik auf dem Schirm“, sagt der Angeklagte über seine Tat, „warum sollte ich für so etwas meinen Job riskieren?“ Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist er bei der Kreissparkasse Böblingen angestellt. „Er geht in seiner Arbeit auf“, lobt ihn sein als Zeuge geladener Vorgesetzter. Seine Hauptaufgabe ist die Analyse des Wertpapiermarktes. Zu Kunden hat der 44-Jährige keinen Kontakt, er recherchiert, in welche Aktien, Fonds und sonstigen Anlagen ihr Geld investiert werden sollte. Orders platzierte er auch regelmäßig. Dass ihm der Fehler unterlaufen ist, erklärt er mit einer neuen Marktmissbrauchsregulierung der Europäischen Union vom Juli 2016. Als sie herauskam, war er in einem langen Urlaub. Nur schriftlich wurden die Mitarbeiter dazu informiert, eine Schulung gab es nicht.

Der Preis wird in die Höhe getrieben

Verkauf und Kauf von Wertpapieren aufeinander abzustimmen ist verboten, weil dadurch der Preis in die Höhe getrieben werden kann. Bei Aktien von Daimler ist diese Marktmanipulation schwierig, weil es viele davon gibt. In dem Fall hatte es sich aber um weniger verbreitete Anlagen gehandelt, die Umsätze des 44-Jährigen waren an dem Tag die einzigen. „Bei einem erfahrenen Vermögensverwalter hätten die Alarmglocken klingeln müssen“, findet der vom Gericht bestellte Gutachter – und dass die Vorschriften eigentlich für andere Tätergruppen als den Angeklagten gemacht worden seien. Um auf der sicheren Seite zu sein, hätte er den Handel entweder außerbörslich oder auf der Plattform Xetra mit vorheriger Ankündigung abwickeln müssen.

Der Staatsanwalt bleibt am Ende der Verhandlung dabei, dass es sich bei der Tat um ein Verbrechen handelt. „Es waren alles In-sich-Geschäfte von einer Person, die mit sich selbst gehandelt hat“, erklärt er. Dadurch hätten andere Marktteilnehmer getäuscht werden können. Der Angeklagte hätte als Experte Bescheid wissen müssen. Dass die Wirkung an der Börse gering war, der Täter geständig und unbescholten und es sich um „ein Augenblicksversagen“ handelte, räumt er ein. Als minderschweren Fall bewertet er die Tat deshalb, die nicht mit demselben Mindeststrafmaß wie ein Raub geahndet werden kann. „Man muss die Kirche im Dorf lassen“: Der Staatsanwalt fordert eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten und eine Geldauflage von 6000 Euro.

Kein Verbrechen, eine Ordnungswidrigkeit

Der Vorsitzende Richter hält dagegen die Einschätzung der Verteidigerin für angemessen. Für sie ist der umstrittene Handel kein Verbrechen, sondern eine Ordnungswidrigkeit, weil ihr Mandant nicht vorsätzlich handelte. Wegen des leichtfertigen Verstoßes gegen die EU-Richtlinie verurteilt der Richter den Vermögensverwalter. Er soll eine Buße von 10 000 Euro bezahlen. „Es ist ein außergewöhnlicher Fall“, sagt er. Der Angeklagte hätte nicht so handeln dürfen, er habe aber auch niemanden geschädigt. Der 44-Jährige ist weiterhin bei der Kreissparkasse beschäftigt, nur Orders darf er nicht mehr ausführen. Eine Verurteilung hätte ihn vermutlich den Job gekostet.