Zugetraut hätte es ihm wohl niemand: Als Stadtrat und Kassierer beim Sindelfinger Ortsverband der SPD und bei verschiedenen Vereinen genoss der 69-Jährige viel Vertrauen – doch er entwendete über vier Jahre hinweg insgesamt rund 40 000 Euro.

Böblingen - Die Aussagen der Zeugen ähneln sich. Vor dem Amtsgericht Böblingen sagen sie aus, dass sie dem früheren Stadtrat von ganzem Herzen vertraut hatten – und dieses Vertrauen missbraucht wurde. „Es tut mir wahnsinnig leid und ich schäme mich“, sagt der 69-jährige Angeklagte, der in sich zusammen gesunken auf seinem Stuhl sitzt. Er hat die ihm zur Last gelegten Vorwürfe komplett eingeräumt. Familiäre Schwierigkeiten und gesundheitliche Probleme hätten ihn in eine finanzielle Notsituation gebracht, wegen der er überhaupt erst „diese Schweinereien“ gemacht habe.

 

Damit meint er die 41 Fälle von gewerbsmäßiger Untreue in Höhe von insgesamt rund 40 000 Euro, wegen derer er angeklagt ist. Das Geld hatte er laut Anklageschrift über vier Jahre hinweg von verschiedenen Organisationen abgezweigt.

Gesundheitliche Probleme und Scheidung brachten finanzielle Schieflage

Zugetraut hatte ihm das wohl keiner seiner Bekannten. Als Bilanzbuchhalter hatte der Angeklagte in mehreren Organisationen die Aufgabe des Kassierers übernommen – so auch beim damaligen Maichinger Ortsverband der SPD, der inzwischen zum Sindelfinger Ortsverband gehört. Über viele Jahre hinweg gab es keine besonderen Vorkommnisse. Ebenso wenig wie im Maichinger Eine-Welt-Laden, den er sogar mitbegründete, und im Renninger Schäferhundeverein, wo er ebenfalls ehrenamtlich Kassierer war.

Zu diesem Zeitpunkt konnte der Mann aus gesundheitlichen Gründen keiner regelmäßigen Arbeit mehr nachgehen. Dann kam die Trennung von seiner Frau und brachte finanzielle Schwierigkeiten mit sich. Danach zweigte der Vater von vier Kindern in den Jahren 2010 bis 2014 immer wieder Geld ab.

Jonglieren mit dem Geld der verschiedenen Vereine

„Zwischen den Rechnungsprüfungen ist nichts aufgefallen. Und wenn die Prüfungen kamen, musste ich jonglieren“, erklärt er vor Gericht. Aufgefallen war dann zunächst dem SPD-Ortsverband bei einer Prüfung Anfang des Jahres 2013, dass 10 500 Euro fehlten. Der Angeklagte gab daraufhin an, dass er dem Schäferhundeverein das Geld als Darlehen gegeben hatte und überwies es wenige Wochen später zurück an die SPD. „Wir haben im Nachhinein herausgefunden, dass der Darlehensvertrag und der Überweisungsbeleg gefälscht waren“, sagt der Altstadtrat und SPD-Mitglied Joachim Klenk, der die Vorfälle untersuchte. Das kam jedoch erst heraus, als sich der Hundeverein an den SPD-Ortsverband wandte und die 10 500 Euro zurückforderte. Denn dort hatte der Angeklagte angegeben, das Geld für ein Darlehen an die SPD verwendet zu haben. In Wahrheit war es jedoch in die Taschen des Angeklagten geflossen, der versuchte, seine finanziellen Löcher zu stopfen. Im Nachhinein einigten sich Hundeverein und SPD darauf, den Schaden zu teilen.

Der Angeklagte machte mit dem Betrug weiter – und wurde sogar gelobt

Nachdem der Betrug bei der SPD fast aufgeflogen wäre, hörte der Angeklagte jedoch nicht damit auf, auch beim Eine-Welt-Laden Geld abzuzweigen. Der Vorsitzende Richter Werner Kömpf wundert sich, wie unbemerkt bleiben konnte, dass der Angeklagte dort über vier Jahre hinweg insgesamt rund 30 000 Euro entwendete. „Ich habe den Prüfern alle Kontoauszüge vorgelegt, bis auf die, bei denen ich Geld für mich abgebucht hatte“, erklärt der Angeklagte. Die Prüfer bemerkten nicht, dass die vorgelegten Kontoauszüge unvollständig waren. „Ich wurde sogar in den höchsten Tönen gelobt“, sagt der Angeklagte leise.

Sogar als die Polizei nach der Strafanzeige der SPD beim Eine-Welt-Laden anfragte, ob es auch dort Auffälligkeiten gegeben habe, stritt man dies aus vollster Überzeugung ab, erzählt eine Zeugin, die als zweite Vorsitzende im Vorstand des Eine-Welt-Laden tätig ist. „Doch kurz darauf wollten uns die Lieferanten keine Waren mehr geben, weil wir die Rechnungen nicht bezahlt hatten“, erinnert sie sich. Kurz vor dem Weihnachtsgeschäft standen sie ohne Waren und ohne Geld auf dem Konto da.

Für den kleinen Laden hätte dies das Aus bedeutet – wenn nicht zwei Mitarbeiter ein Privatdarlehen aufgenommen hätten, um das Geschäft zu retten. „Es ist uns unerklärlich, wie das passieren konnte. Wir haben ihm eben unser vollstes Vertrauen entgegen gebracht“, sagt die Zeugin. Bei diesen Worten scheint der Angeklagte noch mehr in sich zusammenzusinken und wischt sich mit einem Taschentuch über die Augen.

Angeklagter kann finanziellen Schaden nicht gut machen

Den Schaden konnte der Angeklagte, der inzwischen Rente bezieht und in Horb lebt, nicht wieder gut machen. „Für die Vereine und den Ortsverband wiegt der finanzielle Schaden schwer – aber auch der Vertrauensbruch“, betont Kömpf bei seiner Urteilsbegründung. Doch er hält dem Mann zugute, dass er die Polizei unterstützte. Er setzt die Freiheitsstrafe von 22 Monaten zur Bewährung aus.