Das Amtsgericht schützt Mitarbeiter, Angeklagte, Zeugen und Anwälte vor dem Coronavirus, indem nur noch wichtige Verhandlungen und Dienstgeschäfte erledigt werden. Bis zum späteren Normalbetrieb dürften sich einige Verfahren anstauen.

Esslingen - Wegen der Corona-Krise fahren auch die Amtsgerichte ihr Tagesgeschäft drastisch herunter. Laut Andreas Arndt, dem Direktor des Amtsgerichts Esslingen, werden – zunächst bis zum 19. April – nur noch unaufschiebbare Verhandlungen und Dienstgeschäfte abgearbeitet. Von den insgesamt rund 120 Mitarbeitern in seiner Behörde seien zurzeit nur etwa 30 im Dienst. Arndt erwartet nach dem Ende des reduzierten Dienstbetriebs an den Gerichten eine „Bugwelle, die wir dann abarbeiten müssen“.

 

Ein Schwarzfahrer beispielsweise, der gehofft hatte, sein Verfahren würde in den kommenden Wochen endlich mit einem Urteil abgeschlossen, „muss sich gedulden“, sagt Andreas Arndt. In den kommenden zwei Wochen finden gerade einmal vier Hauptverhandlungen vor dem Strafgericht statt. Aufschiebbare Verfahren und Entscheidungen wie beispielsweise Ordnungswidrigkeiten, kleinere Strafsachen, insbesondere Zivilverfahren und viele Familiensachen müssten zurzeit – auch auf Anordnung des Justizministeriums – im Sinne des Gesundheitsschutzes hinten angestellt werden.

Amtsgericht „voll funktionsfähig“

Dennoch sei das Amtsgericht „voll funktionsfähig“, betont dessen Direktor und Richter. Denn einstweilige Verfügungen, Haftsachen, Entscheidungen über Unterbringungen und eilige Verfahren in allen Fachbereichen würden nach wie vor bearbeitet. „In jedem Bereich ist jeden Tag ein Richter da“, sagt Andreas Arndt. Schließlich müssten wichtige Entscheidungen, bei denen es zum Beispiel um Einweisungen in Untersuchungshaft, Unterbringungen, den dringlichen Zugang zu Wohnungen, das Wohl von Kindern oder die Abwehr von Straftaten gehe, sofort getroffen werden.

Um im Angesicht der Corona-Pandemie die Gesundheit der Richter, Mitarbeiter, Schöffen, Zeugen, Anwälte und Angeklagten zu schützen, müsse der Betrieb freilich auf ein Mindestmaß zurückgefahren werden. Die Parteien, sonstige Beteiligte und Rechtsanwälte seien darüber telefonisch informiert worden.

Zwar erwarte er durch den vorübergehenden Aufschub ein verstärktes Arbeitsaufkommen nach dem Ende dieser Maßnahme, sagt Andreas Arndt. Aber auch die Staatsanwaltschaft arbeite zurzeit nur in einem Notbetrieb, weshalb von dort weniger Fälle an die Gerichte weiter gegeben würden. Viele liegen bei der Polizei oder – noch unbearbeitet – bei der Anklagebehörde, vermutet Arndt, der davon ausgeht, dass zurzeit auch nur wenige Anwälte im Normalbetrieb arbeiteten.

Welle mus abgearbeitet werden

Dennoch erwartet er eine Welle von aufgestauten Verfahren, die nach dem noch nicht absehbaren Notfallbetrieb über die Amtsgerichte schwappt. Aber er sei zuversichtlich, dass diese dann nach und nach abgearbeitet werden könne.

Allerdings befinde sich das gesamte Land in einer Art Schlafmodus. Dadurch komme es womöglich zu weniger Verkehrsunfällen und vielleicht auch zu weniger Ladendiebstählen, da viele Geschäfte geschlossen seien, mutmaßt Andreas Arndt. Denkbar wäre aber auch, dass es vermehrt zu Fällen häuslicher Gewalt kommen könnte, „wenn die Leute, wie an Weihnachten, zu Hause aufeinander hocken“. Dieses Konfliktpotenzial würde sich womöglich noch steigern, wenn auch in Deutschland – wie in einigen anderen europäischen Ländern – eine Ausgangssperre verhängt würde.

Strenge Regelungen

Die öffentlich zugänglichen Bereiche des Amtsgerichts Esslingen sind laut Arndt „so weit wie möglich geschlossen“. Er habe angeordnet, dass Personen, die Symptome einer Corona-Erkrankung zeigen oder innerhalb der jeweils vergangenen 14 Tage persönlich Kontakt mit einer coronainfizierten Person hatten oder sich in einem Corona-Risikogebiet nach der aktuellen Definition des Robert-Koch-Instituts aufgehalten haben, das Gebäude in der Esslinger Ritterstraße nicht mehr betreten dürfen.