Der 41-jährige Familienvater muss in Haft, obwohl die Tat bereits elf Jahre zurückliegt.

Leonberg - Der Mann auf der Anklagebank hat eine weite Anreise hinter sich. Er kommt aus dem niederländischen Nimwegen, sein Verteidiger aus Dortmund. Dass er in Leonberg vor Gericht steht, ist zu einem guten Teil Kommissar Zufall zu verdanken.

 

Als er mit einem Bekannten im April vergangenen Jahres in eine Fahrzeugkontrolle auf der Autobahn geriet, stellte die Polizei fest, dass gegen ihn ein Haftbefehl aus dem Jahr 2009 vorlag. Er soll damals die Einfuhr von 3,5 Kilogramm Marihuana von Nimwegen nach Wuppertal organisiert haben und pro Kilogramm eine Provision von 200 Euro bekommen haben. Ursprünglich seien sogar fünf Kilogramm bestellt gewesen, die jedoch nicht geliefert werden konnten. Das Rauschgift sei zur Verteilung im Großraum Stuttgart vorgesehen gewesen, hieß es in der Anklage.

Kontakt zu Kokain-Dealer

Auf die Spur des Angeklagten war die Polizei nach Aussage eines Beamten gekommen, weil das Telefon eines Mannes überwacht worden war, der im Raum Leonberg mit Kokain handelte. Dabei stellte sich heraus, dass er auch Marihuana aus den Niederlanden bezog. In diesem Zusammenhang sei der Name des Angeklagten bei einem Gespräch gefallen.

Der Angeklagte, der sowohl die niederländische als auch die türkische Staatsangehörigkeit hat, und für den eine Dolmetscherin ins Holländische übersetzte, räumte die Tat aus dem Jahr 2009 unumwunden ein. „Ich musste damals die Raten für meine Eigentumswohnung abbezahlen, hatte aber keinen Job“, erklärte der 41-Jährige, der zuvor einen Dönerladen betrieben hatte. Den Mann, der auch in Leonberg Kokain vertrieb, habe er aus einer Bar in Herne gekannt, wo dieser auch wohnte. „Er hatte mich schon vorher immer mal wieder indirekt gefragt, ob ich nicht Marihuana aus den Niederlanden besorgen kann“, erzählte der Angeklagte. 80 Prozent aller Holländer könnten aus einem Coffee- oder Growshop „etwas besorgen“.

Einmalige Sache oder mehr?

Im Juni 2009 sei er wegen seiner finanziellen Notlage auf das Angebot seines Kumpels eingegangen. Er habe sich dann mit einem Hassan, der einen Growshop in Nimwegen betrieb, in Verbindung gesetzt. Von diesem habe er gehört, dass er Marihuana liefern könne. „Ich kenne seinen wirklichen Namen nicht, er war auch nur ein Jahr im Nimwegen.“ Dieser Hassan habe nur die Adresse des Empfängers von ihm haben wollen. Diese sei in Wuppertal gewesen. Um die Kurierfahrt dorthin habe sich Hassan auch gekümmert.

Ursprünglich sei vereinbart gewesen, dass das Geld für das Marihuana am gleichen Tag übergeben werden müsse. Er sei deshalb nach Bochum gefahren, um sich dort von seinem Abnehmer aus Herne die vereinbarten 12 250 Euro geben zu lassen. Dieser sei jedoch nicht erschienen, ungefähr zehn Telefonate habe er nicht beantwortet. Hassan habe ihm am nächsten Tag erzählt, dass der Mann aus Herne festgenommen worden war und sich darauf eingelassen, dass die 3,5 Kilogramm auf Kommission geliefert würden. Ermittlungen der Polizei hatten ergeben, dass der Mann aus Herne zudem 10 000 Euro beim Spielen verzockt hatte und daher ohnehin die vereinbarten 12 250 Euro nicht hätte übergeben können.

Die Vorsitzende Richterin Sandra De Falco konnte diese Version nicht so recht glauben und verwies auf Protokolle aus der Telefonüberwachung, in denen von „Geschäften in der Zukunft“ gesprochen worden sei, und dass man die Abwicklung des Geschäfts dem Angeklagten überlassen solle. „Damit habe ich meinen Geschäftspartner bei Laune halten wollen, weil ich auf das Geld aus diesem einen Geschäft angewiesen war“, erklärte der Angeklagte dazu, der nach eigenen Angaben nur einmal zum 18. Geburtstag Drogen konsumiert haben will.

„Einmaliger Ausrutscher“

Die Staatsanwältin gab sich mit dem Geständnis des 41-Jährigen zufrieden und plädierte auf eine zweijährige Bewährungsstrafe. Die Tat liege elf Jahre zurück. Zudem habe nie die Gefahr bestanden, dass die 3,5 Kilogramm Marihuana in den Verkehr kommen, da die Polizei die Übergabe der Drogen nach der Telefonüberwachung observiert hatte und die Beteiligten festgenommen hatte. Auch der Verteidiger des Angeklagten warb für eine Bewährungsstrafe, da sich der 41-Jährige einen „einmaligen Ausrutscher“ geleistet hätte.

Das Schöffengericht verurteilte den zweifachen Familienvater jedoch zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe ohne Bewährung. „Die Telefonprotokolle legen nahe, dass es sich nicht um ein einmaliges Geschäft gehandelt hat“, meinte Richterin De Falco. Zudem sei es wenig glaubhaft, dass ein angeblicher Hassan bei einem Erstgeschäft gleich 3,5 Kilogramm Marihuana bereitstellen würde. Für den Angeklagten spreche zwar sein Geständnis, allerdings habe er auch nur die Dinge zugegeben, die sich auch aus den Telefonprotokollen ergeben hätten.