Warum zeigt sich der DFB mit dem Präsidenten Fritz Keller an der Spitze nicht nur rund um die Causa Joachim Löw so orientierungslos? Eine kritische Bestandsaufnahme.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Die Protagonisten des Deutschen Fußball-Bundes haben durchaus Talent, sich nach außen zu präsentieren. Joachim Löw etwa posiert wie bei der WM 2018 in Russland trotz prekärer Lage gerne mal lässig an der Strandlaterne und signalisiert so: Mir kann keiner was! Präsident Fritz Keller, im Hauptberuf Winzer, führt Medienvertreter gerne in seine Weinreben am Kaiserstuhl und gibt Interviews zwischen den selbigen.

 

Und der Direktor Oliver Bierhoff, nun ja, tut noch immer alles dafür, um die werbewirksamen Bedürfnisse seiner Stakeholder, bezogen auf seine Mannschaft – also „Die Mannschaft“ – zu bedienen. Auch, was die Nähe zur Basis angeht, war aus Bierhoffs Sicht nach der WM 2018 und vor Corona längst wieder alles auf dem richtigen Weg: Ein paar von Bierhoff angestoßene Schulbesuche und ein paar öffentliche Trainingseinheiten – plötzlich war die DFB-Elf wieder volksnah.

Das war der Tross der Verbandsspitze jetzt eher weniger, als es am Montag darauf ankam. Denn da tauchten die Verantwortlichen der wichtigsten deutschen Fußballmannschaft ab, und das geschlossen. Joachim Löw, so wurde das in der Zentrale entschieden, darf weitermachen als Bundestrainer. Es war eine umstrittene Entscheidung, und es ist dabei zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Chefs des DFB und der Nationalelf es inzwischen mitbekommen haben, dass sich der Wind in der öffentlichen Meinung, also bei den Fans, gedreht hat. Denn kaum einer will diesen Löw offenbar noch als Trainer. Nach einer Umfrage im Auftrag des Sport-Informationsdienstes hätten sich 82,5 Prozent der Befragten einen Neubeginn ohne Löw gewünscht.

Großer Erklärungsbedarf

Wer von seinem Coach aber überzeugt ist, steht über den Dingen und erst recht über solchen Umfragen unter dem Fußballvolk, das schon. Aber dass sämtliche DFB-Verantwortliche, inklusive des Bundestrainers, nicht sprachen nach der umstrittenen Entscheidung, nach der in weiten Teilen der Fußballrepublik Deutschland weiter großer Erklärungsbedarf besteht, passte irgendwie ins Bild, das der DFB derzeit abgibt.

Der größte Sportfachverband der Welt, so macht es den Anschein, hat es im konkreten Fall Joachim Löw nicht verstanden, dass er nur durch Transparenz und offener Kommunikation so etwas wie Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Öffentlichkeit hätte zurückgewinnen können. Der unsortierte DFB aber scheint in vielen Bereichen nicht angemessen handlungsfähig zu sein. Weil er an der Spitze führungslos und zerstritten ist.

Das Ansehen des DFB ist ja nicht nur durch den Sommermärchenskandal oder die jüngsten Razzien der Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der schweren Steuerhinterziehung erschüttert. Der Präsident Keller musste sich vorher schon mit Rassismusdebatten und der latenten Entfremdung von der Basis befassen, und dann kam spätestens nach dem 0:6-Debakel gegen Spanien am 17. November auch noch die Debatte um den Bundestrainer hinzu. Keller, so ist es zu hören, will die Altlasten abarbeiten und, je nach Möglichkeit, wegschaffen – allein: Keller, seit 14 Monaten im Amt, tut sich offenbar schwer damit. Auch, weil er in einen internen Machtkampf verstrickt ist.

Brisante Gemengelage

Von tiefen Gräben zwischen Keller und dem DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius ist die Rede. Bei dem Konflikt geht es um den Umgang mit der Steueraffäre des DFB, in welcher der Generalsekretär zu den Beschuldigten zählte, auch wenn er Verfehlungen zurückwies und externe Prüfer ihn in der Sache unterstützten.

In dieser brisanten Gemengelage sollte in diesen Tagen eine Entscheidung im Fall Löw her, die zerstrittene DFB-Führung entschied dann auch und war sich dem Vernehmen nach ausnahmsweise einig – und das wohl auch, weil von den mächtigen Chefs der Spitzenclubs aus der Bundesliga vorher Signale in die Richtung gekommen waren, dass Löw noch der geeignete Trainer sei. Das wiederum verwunderte nicht, denn Löw war es, der den Topvereinen rund um die vergangenen Länderspiele extreme Zugeständnisse machte und Spitzenprofis oft schonte.

Taumelnde DFB-Spitze

Die taumelnde DFB-Spitze sah sich in ihrer tendenziell eher unkritischen Haltung gegenüber Löw bestätigt, ließ sich von den Chefs der Liga-Topclubs offenbar leiten und hob den Daumen. Dabei hatte zumindest Keller in den Tagen nach dem Debakel gegen Spanien eine gewisse Distanz zu Löw eingenommen. Der Präsident wollte dem Vernehmen nach abwarten, wie sich die Stimmungslage entwickelt. Am Ende gab auch er sein Okay für Löw.

Auch Direktor Bierhoff tat das – wissend, dass seine Position so nicht geschwächt wird. Denn mit einem möglichen neuen Trainer mit Machtanspruch, mit einem Typen, wie es, sagen wir, Ralf Rangnick ist, hätte seine Stellung Schaden nehmen können. Mit Löw aber geht für ihn alles in gewohnter Manier weiter.

Im März jedenfalls finden die nächsten Länderspiele statt, und gut möglich ist es, dass Joachim Löw bis dahin wie immer in dieser langen Periode abtaucht und schweigt. Und ihm noch immer keiner sagt, dass das so eher nicht geht.