Die Tarifkonflikte bei der größten deutschen Fluggesellschaft sind auch nach zahlreichen Streiks immer noch ungelöst. Trotz guter wirtschaftlicher Zahlen stehen deshalb dem Unternehmenschef Carsten Spohr turbulente Zeiten bevor.

Frankfurt - Es war kein gutes Jahr für die Lufthansa. Zwar wird Carsten Spohr für das erste volle Jahr, das er als Konzernchef zu verantworten hat, vermutlich sogar einen Rekordgewinn vorweisen können. Doch die Liste der Baustellen, die Spohr und seine Mannschaft mit in dieses Jahr nehmen, ist nicht kleiner geworden.

 

Das größte Problem, das Europas Marktführer angehen muss, ist die Wiederherstellung des angekratzten Image. Es war nicht etwa der tragische Absturz einer Germanwings-Maschine im März, der das Vertrauen der Passagiere in die Lufthansa erschüttert hat. Bei der Bewältigung dieser Krise wird Spohr sogar bescheinigt, gemeinsam mit dem damaligen Germanwings-Chef Thomas Winkelmann und allen Verantwortlichen vieles richtig gemacht zu haben – auch wenn die Ansprüche mancher Hinterbliebenen nicht immer zu deren Zufriedenheit geregelt werden konnten.

Nachhaltiger aber ist der Imageschaden, den die zahlreichen Streiks der Piloten und zuletzt der Flugbegleitergewerkschaft Ufo dem Unternehmen zugefügt haben. Trotz eines Jobgipfels, bei dem man immerhin wieder zu Gesprächen zurückgefunden hat, sind die Positionen zwischen Vorstand und Gewerkschaften noch ziemlich weit auseinander. Im Januar soll eine Schlichtung mit Ufo beginnen, bei der der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck die Kompromisslinie finden soll, mit der weitere Streiks im neuen Jahr verhindert werden können. Ob, wie und wann auch mit den Piloten eine Einigung gefunden werden kann, ist noch offen. Beide Gewerkschaften, die Pilotenvereinigung Cockpit und Ufo, haben in den zurückliegenden Monaten gezeigt, welche Macht sie besitzen.

Der gelernte Pilot an der Spitze bleibt stur

Dass Spohr, der gelernte Pilot, dennoch stur bleibt, hat langfristige wirtschaftliche Gründe. Zwar rechnen Luftfahrtexperten damit, dass der Rückenwind, vor allem dank gesunkener Kerosinpreise, auch 2016 anhalten wird. Aber auf Dauer wird es sich der Konzern nicht mehr leisten können, all seinen Mitarbeitern bestimmte Vorzüge, die aus den Zeiten des Staatskonzerns Lufthansa stammen, ohne wirtschaftliche Einbußen gewähren zu können.

Der Streit um die Übergangs- und Altersversorgung ist lösbar – wenn denn alle Beteiligten die Notwendigkeit einsehen. Auf der anderen Seite hat Spohr schon sehr früh die Drohkulisse aufgebaut, dass zunehmend mehr Arbeitsplätze, auch bei den Piloten und Flugbegleitern, auf die neue Eurowings als Billiganbieter ausgegliedert werden könnten. Insgesamt sollen, wie der Konzern zum Jahresbeginn mitteilte, auch zusätzliche 4000 Mitarbeiter eingestellt werden. Die Streiks haben also die Stimmung verschlechtert – die wirtschaftliche Situation ders Unternehmens allerdings bisher noch nicht so sehr.

„Wir verdienen mit Eurowings und Germanwings erstmals seit neun Jahren Geld“, sagt Spohr. Und trotz des streikbedingten Einbruchs im November seien die Lufthansa-Flugzeuge 2015 so gut ausgelastet wie noch nie, vor allem auch in der für Lufthansa wichtigen Business-Class, die Zahl der Passagiere auf Rekordhöhe. Vorerst versucht die Konzernspitze eine Charmeoffensive. In einem Brief hat man sich bei Geschäftskunden und viel fliegenden Privatkunden für die Unannehmlichkeiten im zu Ende gehenden Jahr entschuldigt und wirbt um Verständnis für die „nötige Konsequenz“ in den Tarifverhandlungen.