Andreas Dresen, einer der wichtigsten Filmemacher des Landes, ist in der DDR aufgewachsen. In seiner Verfilmung des Romans von Clemens Meyer zeigt er Jugendliche in der Wendezeit – die manchmal eher nach Endzeit aussieht.

Stuttgart - Als es anfängt, ist eigentlich alles schon gelaufen. Es ist dunkel auf der Leinwand, ein junger Kerl ruft nach einem anderen, und es braucht nicht lange, bis wir diesen Auftakt von Andreas Dresens „Als wir träumten“ aus dem Symbolischen – in manchem scheint die Szenerie das Nebelreich der Vorhölle zu sein – zurück in die Realität holen können. Gesucht wird ein Junkie in seinem Unterschlupf.

 

Das verwundert nicht, denn Andreas Dresen, 1963 in Gera geboren, geht mit Filmen wie „Wolke 9“ und „Halt auf freier Strecke“ dorthin, wo es wehtut. Bei „Als wir träumten“, der Adaption von Clemens Meyers Debütroman, ist auch das vertraute Dresen’sche Erfolgsteam wieder beieinander, vom Produzenten Peter Rommel über den Kameramann Michael Hammon, den Komponisten Jens Quandt und den Cutter Jörg Hauschild bis hin zum Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase.

Soll das schon alles BRD sein?

Trotzdem ist dies nicht Dresens stärkster Film geworden. Was gewiss nicht daran liegt, dass Kohlhaase die Vorlage geschönt hätte. Nein, dies ist die derbe Geschichte einer Clique junger Leute geblieben, die ihr erstes pubertäres Aufbegehren in der DDR erleben, deren Staat dann aber zusammenbricht. Das wird aus der Perspektive von Leuten gezeigt, die sehr viel mehr mit ihrem Nahbereich als mit den Weltnachrichten beschäftigt sind. Nach ein paar Jahren sind sie – ja, wo eigentlich? Das ist der schönste, bitterste Teil des Films, dass wir diese kaputte Gesellschaft der Post-DDR nicht als Bundesrepublik akzeptieren mögen, obwohl sie es doch fraglos ist.

Dresen inszeniert vergessene Stadtlandschaften des Ostens, besetzt sie mit Nichteinsteigern ohne klaren Plan und zeigt den Ärger, den die Kids mit Neonazibanden haben. Nicht nur die eher Linken richten sich da gerade ihre Freiräume ein. Aber schon der erwähnte Anfang wirkt so theaterhaft, als werde die Kamera gleich zurückfahren und die Szene als Teil einer Jugendtheaterprobe kenntlich machen.

Falsch herum durchs Fernglas schauen

Immer wieder mal lässt Dresen diesen Theaterton zu, schiebt das Verfremdende und das Realistische schroff ineinander. So will er wohl das Milieubegaffen verhindern. Aber sein Film, der freundliche Farben nur in Rückblenden in die Kindheit zulässt und ansonsten eine asphaltgraue Gegenwart zeigt, hält uns auch mit boulevardschlagzeilenfetten Zwischentiteln vielleicht zu weit draußen. Man schaut sich das an, aber egal, wie nahe die Kamera herangeht, wir nehmen die Figuren wie durch ein falsch herum gehaltenes Fernglas als ferne Erscheinungen wahr. Dresen ist kein Freund intellektueller Spielereien, seine Filme basieren auf Empathie. In „Als wir träumten“ aber bleiben wir wach, an die Figuren des Traums entwickeln wir keine Bindung.

Als wir träumten. Deutschland, Frankreich 2015. Regie: Andreas Dresen. Mit Merlin Rose, Julius Nischkoff, Joel Basman, Marcel Heupermann. 117 Minuten. Ab 12 Jahren.