Andreas Gabalier ist ein echter Entertainer. Er weiß, wie man ein Riesenpublikum unterhält – das hat auch sein Auftritt am Samstagabend im Stuttgarter Stadion gezeigt.

Stuttgart - Es ist das bislang erfolgreichste Konzert in 2019. Vielleicht wird der Auftritt von Andreas Gabalier in der Mercedes-Benz-Arena zuletzt gar quantitativ das Stuttgarter Konzert des Jahres bleiben. 50 000 Zuschauer füllen das Stadion – das sind 12 000 mehr, als jüngst beim britischen Superstar Phil Collins. „10 Jahre Volks-Rock’n’Roll“ – das steht in breitem, gut gelaunten Schwung über Andreas Gabaliers Bühne.

 

Tatsächlich sind erst acht Jahre vergangen, seitdem Gabalier über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt wurde. Er trägt die Lederhose mit Stolz, hebt die muskulösen Arme und schlägt den Takt. Erst sitzt noch eine bunte Brille auf seiner Nase, hängt eine akustische Gitarre locker an seiner Seite. Später dann wird er das Instrument eintauschen gegen eine hellblaue E-Gitarre, wird seinen bukolisch verzierten Mikrofonständer mit harter Hand anpacken und seine kräftige Stimme hinausschicken ins Meer der Fans.

Schon der Einmarsch ist eine Schau

Gabaliers Marsch zur Bühne alleine schon ist eine Schau. Zwischen Absperrgittern, an die sich die Zuschauer drängen, schreitet er hindurch, ziemlich stramm, gerade, und schüttelt markig Hände. Die Kamera folgt ihm. Die eingespielte Musik mit ihren Trommelschlägen gibt dem Aufzug eine fast militärische Anmutung.

Andreas Gabalier betritt die Bühne und lässt sogleich ein Medley los, das die Stimmung auf die Spitze treibt, verbindet „I sing a Liad für di“ mit „Hallihallo“, dem „Steirerland“, und immer wieder: „Oh wie ist das schön!“ Cello und Geige weiten das musikalische Spektrum, Soli kommen knapp und gekonnt. Der charismatische Sänger bleibt immer der Mittelpunkt der Show, und seine Songs bleiben stets herzergreifend einfach.

Andreas Gabalier vermischt seine volkstümliche Gaudi-Musik raffiniert mit anderen, wilderen Stilen. In Text und Arrangement denkt er das Heimatlied und den Rock‘ n Roll zusammen, zitiert alles herbei, was je das Festzelt explodieren ließ, mischt einen Hauch Wolfgang Petry mit einem Gitarrenriff, das sehr nach Bryan Adams klingt, lässt ein paar Zeilen fallen, die beinahe von Wolfgang Niedecken sein könnten. Bodenständig eifert er Johnny Cash und Elvis nach. Gabaliers Begleiter, seine großartigen Sängerinnen, finden für all dies den kleinsten gemeinsamen Nenner, ordnen es dem feschen Jodler unter, und überhaupt: Andreas Gabalier ist eine Stimmungskanone. Ein Bursche, so unverbraucht geradeaus, so fesch und charmant, dass man ihn geradezu sympathisch finden könnte.

Und dann spielt er das aus. „Stell dir vor, ich würde ein Mädchen mit einem Fächer auf die Bühne stellen“, sagt er, in der Hitze. „Das würde noch fehlen, das, das, das würde noch fehlen. Volks-Rock‘ n Roller zu sein, das ist nicht leicht, ihr Lieben. Vor euch steht ein grundeinfacher steirischer Bauernbua, der vor zehn Jahren begonnen hat, Musik für euch zu machen.“

Er kann die Menschen rühren

Aber er ist Entertainer durch und durch. Bei aller Kritik darf man dieses eine nicht übersehen: der Mann, der vor 35 Jahren in Kärnten geboren wurde, in Graz aufwuchs, erst Jura studierte und dann in ein österreichisches Rundfunkstudio spazierte, mit zwei Liedern unterm Arm, besitzt zweifellos die große Gabe, ein restlos gefülltes Fußballstadion mit seiner Musik zu unterhalten.

Und er kann sie rühren, die Tausende. Wenn er sich, so breitbeinig, wie er steht, an sein Piano setzt und ein Lied vom Steirerland singt. Wenn er zum Akkordeon greift, wenn er sich alleine niederlässt, mit seiner akustischen Gitarre, vor dem langen, flimmernden Steg, der weit ins Publikum des Stadions hinausführt. Eine Schale steht auf diesem Steg, in der Flammen züngeln, und Andreas Gabalier singt ein Lied für seine Schwester Elisabeth, die sich 2008 das Leben nahm: „Amoi seg‘ ma uns wieder“ heißt es: „Weil es gibt was nach dem Lebm, du wirst schon segn.“