Wenn der Bund in die Pötte käme, könnten viele Diesel vom Fahrverbot ausgenommen werden, sagt Andreas Schwarz. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag stellt im Interview noch andere Maßnahmen gegen dicke Luft vor.

Stuttgart - Der Klimawandel macht Bauern ebenso zu schaffen wie Stadtbewohnern. Andreas Schwarz, der Chef der Landtagsgrünen, will Landwirte als Landschaftspfleger, grüne Städte und auch ein anderes Klima im Landtag.

 

Herr Schwarz, Bund und Länder versprechen den dürregeschädigten Bauern Soforthilfe. Gleichzeitig soll ein Systemwechsel in der Landwirtschaft eingeleitet werden. Wie müsste der Wechsel aussehen?

Es ist ganz klar, dass wir die Agrarwende brauchen. Die Dürrehilfen sind für den Moment gut, sie können aber kein Dauerzustand sein. Die Landwirtschaft muss sich ändern. Wir brauchen mehr Vielfalt im Ackerbau, neue Sorten und weniger Pestizide in der Landwirtschaft. Wir wollen, dass die Landschaftspflege und das Tierwohl belohnt werden. Wir brauchen einen Umschwung in der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. Wir wollen nicht, dass bei den Agrarumweltprogrammen massiv gekürzt wird. Das hätte unmittelbare finanzielle Auswirkungen auf Baden-Württemberg.

Welchen Einfluss können Sie aus Baden-Württemberg auf die EU ausüben?

Wir sind in Baden-Württemberg mit den Agrarumweltprogrammen sehr gut gefahren. Wir werden das nach Brüssel tragen. Ich hoffe doch sehr, dass EU-Kommissar Günther Oettinger weiß, dass eine Kürzung dieser Programme massive Nachteile für Baden-Württemberg hätte.

Wie einig sind sich die Grünen im Land mit dem CDU-Landwirtschaftminister Peter Hauk?

Wir arbeiten gut zusammen. Ich befürchte eher, dass die Verhandlungen mit der Bundeslandwirtschaftsministerin und den Landwirtschaftsministern anderer Bundesländer schwierig werden. Es muss zum Grundverständnis baden-württembergischer Landespolitik gehören, dass wir unsere kleinteilige Landwirtschaft honorieren. Jeder, der aus Baden-Württemberg kommt, muss deren Interessen nach Berlin und Brüssel tragen.

Hier geht’s zum Video mit Andreas Schwarz:

Fordern Sie eine Abkehr vor der Agrarindustrie?

Wir Grüne wollen keine Massentierhaltung. Deshalb sind wir klare Anhänger einer Fleischkennzeichnung. Der Verbraucher soll sehen: Wo kommt mein Fleisch her, wie ist es erzeugt worden. So stärken wir Landwirte, die in den Biobereich oder die Freilandhaltung gehen wollen.

Auch die Landwirtschaft ist ja wegen der Treibhausgase in der Kritik. Die EU hat vor die Klimaziele anzuheben, Deutschland hinkt hinterher. Lassen sich Strafen noch vermeiden?

Klimaschutz ist in der Bundesregierung ein Totalausfall. Das ist aus ökologischen Gründen unverantwortlich, aber auch aus ökonomischen. Wenn die EU Strafzahlungen gegen Deutschland verhängt, und das ist zu erwarten, dann reden wir über Beträge von bis zu 30 Milliarden Euro! Es wäre viel sinnvoller, wenn diese Gelder in den Klimaschutz investiert würden. Beispielsweise in moderne Mobilität, Agrarumweltmaßnahmen oder Gebäudesanierung.

Ein Großthema im Klimaschutz sind die Fahrverbote für Diesel. Die Koalition will sie möglichst vermeiden. Gibt es dafür noch Chancen?

Baden-Württemberg wird mit einer Bundesratsinitiative Druck auf die Bundesregierung ausüben, was die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen angeht. Den Antrag werden wir gleich nach den Sommerferien in den Bundesrat einbringen. Wir wollen, dass der Bund die Hardwarenachrüstung ermöglicht. Er muss die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die nachgerüsteten Fahrzeuge zugelassen werden. Zum zweiten geht es um die Software-Updates. Auch dafür muss der Bund die zulassungsrechtlichen Voraussetzungen schaffen. Und er muss das Kraftfahrtbundesamt personell stärken, damit das umgesetzt werden kann.

Für welche Autos käme das in Betracht?

Wenn Bund und Industrie in die Pötte kämen, könnten alle Fahrzeuge mit einer wirksamen Hardware-Nachrüstung von Fahrverboten ausgenommen werden. Das ist unser Anreiz, den wir für die Nachrüstung schaffen. Wir setzen damit ein Signal für die deutsche Autoindustrie, die sich dazu bisher nicht in der Lage sieht. Wir wollen ebenso die ausländischen Hersteller in die Pflicht nehmen.

Was ist das Ziel des Bundesratsvorstoßes?

Wir wollen schnellstmöglich bei der Hardwarenachrüstung und bei den Softwareupdates weiterkommen. Denn wir wollen, dass die Luft besser wird, indem die Fahrzeuge weniger Stickoxide emittieren.

Wer trägt die Kosten?

Das ist eine Aufgabe der Automobilindustrie, die uns diesen Schlamassel eingebrockt hat. Wenn es Zuschüsse geben sollte, ist der Bund zuständig.

In den Städten drohen Gesundheitsgefahren durch den Klimawandel. Wie bekommen wir unsere Städte grüner?

Wir brauchen mehr grüne Infrastruktur in den Städten – Grünanlagen, Parks, urban gardening. Auch Dachbegrünung und Fassadenbegrünung sorgen dafür, dass sich die Stadt nicht so aufheizt.

Wie passt die Forderung nach Parks und Grünanlagen zu der Forderung, möglichst alle Brachflächen in den Städten zu bebauen?

Man kann das eine nicht gegen das andere ausspielen. Parks und Grünanlagen sind Lebensqualität. Eine Baulücke kann man einer baulichen Nutzung zuführen. Wir sollten die Potenziale in der Innenentwicklung nutzen. Chancen bietet auch die Aufstockung von Gebäuden. Wir werden das in der Landesbauordnung ermöglichen. Wenn weitere Geschosse zu bestehenden Gebäuden dazu gebaut werden, können mehr als 185 000 Wohnungen in Baden-Württemberg zusätzlich geschaffen werden.

Welche Möglichkeiten gibt es noch, die Wohnungsnot zu entschärfen?

Es ist mein Ziel und das meiner Fraktion, dass wir vor allem mehr bezahlbaren Wohnraum in Baden-Württemberg schaffen. Wir setzen den Schwerpunkt bei der Wohnraumförderung auf den sozialen Mietwohnungsbau, denn es werden zu wenig Wohnungen im mittleren und unteren Segment gebaut. Wir müssen Bauen mit Holz zulassen, das ist wesentlich günstiger. Und wir denken über eine Landesentwicklungsgesellschaft zusammen mit den Kommunen nach, die schlagkräftig Bauen vorantreibt. Wir müssen ein ganzes Maßnahmenbündel auf den Weg bringen.

Noch ein Wort zum Klima im Parlament. Der Ton ist rauer geworden. Woran liegt das?

Wir haben eine neue Partei im Landtag, die kein Interesse an einer Parlamentskultur oder an inhaltsreichen Debatten hat. Die Hetze, Spaltung und Hass betreibt. Inhaltlich kommt von der AfD nichts. Man hat den Eindruck, die entwickeln einen Morgenthau-Plan für Deutschland und für Baden-Württemberg. Sie will zum Beispiel die gesetzliche Unfallversicherung abschaffen und alle Gelder streichen, die mit Elektromobilität zu tun haben. Die AfD schadet massiv dem Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg mit ihren kruden Ideen.

Was können andere Fraktionen dem entgegen setzen?

Wir müssen deutlicher machen, dass die AfD nicht politische Lösungen im Auge hat, sondern die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas. Menschen mit geringem Einkommen oder mit Sorgen um den Arbeitsplatz hilft sie ganz sicher nicht. Es geht ihr nur darum, alles zu dämonisieren, was mit Migration, mit Gleichberechtigung, mit Liberalität zu tun hat. Nix im Kasten – außer Hass und Hetze.