Giovanni Donzelli, einer der engsten Vertrauten von Regierungschefin Giorgia Meloni, verschärft den Tonfall gegenüber politischen Gegnern. Dabei zitiert er aus vertraulichen Dokumenten.

Etwas mehr als drei Monate nach Giorgia Melonis Amtsantritt werden die Töne in Rom schärfer, gehässiger. Ein Besuch von vier Parteiabgeordneten des sozialdemokratischen Partido Democratico (PD) in einem Gefängnis auf Sardinien, wo der als gefährlich eingestufte Anarchist Alfredo Cospito mit einem Hungerstreik gegen seine Isolationshaft protestierte, hat für Giovanni Donzelli von der Meloni-Partei Fratelli d'Italia ausgereicht, die Linke frontal anzugreifen und ihr eine Nähe zu Terroristen und zur Mafia zu unterstellen. „An dem Tag, an dem sich Cospito im Gefängnis mit Mafiabossen über die Weiterführung seines Protests unterhielt, wird er auch noch von den vier Abgeordneten ermuntert. Auf welcher Seite steht ihr eigentlich? Auf der Seite des Staates oder auf der Seite der Terroristen?“, fragte Donzelli im Römer Abgeordnetenhaus.

 

Geheime Informationen vom Mitbewohner

Der 47-jährige Donzelli ist einer der engsten politischen Vertrauten der postfaschistischen Regierungschefin. Als nationaler Koordinator der Fratelli d'Italia ist er stellvertretender Parteichef, sozusagen der Vize-Meloni. Außerdem sitzt er in der parlamentarischen Aufsichtskommission über die Geheimdienste, was in diesem Fall besonders brisant ist: Bei seiner Attacke gegen den politischen Gegner zitierte er aus vertraulichen Dokumenten des Justizministeriums. Denn die von Donzelli verwendeten, im Gefängnis abgehörten Gespräche zwischen dem Anarchisten und den Mafiosi – ein Boss der Camorra und ein Pate der 'Ndrangheta – sind klassifiziert. Erhalten hat Donzelli die vertraulichen Informationen vom Staatssekretär im Justizministerium, Andrea Delmastro – seinem Parteifreund, mit dem er sich in Rom einen Wohnung teilt.

Politische Gegner kündigen rechtliche Schritte an

Die angegriffenen PD-Parlamentarier, darunter Fraktionschefin Debora Serracchiani, forderten den sofortigen Rücktritt von Donzelli und Delmastro – und kündigten rechtliche Schritte an: wegen Ehrverletzung, aber auch wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Sie und ihre Kollegen hätten Cospito nicht besucht, um ihn in seinem Hungerstreik gegen die Isolationshaft zu bestärken, sondern um sich über seinen Gesundheitszustand zu vergewissern, der sich infolge des Hungerstreiks erheblich verschlechtert hatte, betonte die PD-Fraktionschefin. Der PD habe die Isolationshaft für Mafiosi und Terroristen immer befürwortet.

Die Verbalattacke Donzellis und die – mutmaßliche – Amtsgeheimnisverletzung seines Kameraden Delmastro bestätigen den Eindruck, den politische Beobachter in Rom schon länger haben: Die Personaldecke der größten Regierungspartei, der Fratelli d'Italia, ist dünn. Ministerpräsidentin Meloni mag in den ersten hundert Tagen ihrer Amtszeit die Befürchtungen, sie wolle aus Italien einen autoritären Staat nach dem Vorbild Ungarns machen, weitgehend zerstreut haben. Aber vielen ihrer postfaschistischen Parteifreunden fehlt es an dem institutionellen Profil, das die Staatsämter, die sie nun ausfüllen, eigentlich erfordern würden. „Donzelli verwendet die Sprache wie die Schlagstöcke und das Rizinusöl, mit dem die Neofaschisten früher auf den politischen Gegner losgegangen sind“, betonte der PD-Abgeordnete Walter Verini.

„Bald ein Problem Melonis“

Jahrzehntelang fühlten sich die geistigen Erben Mussolinis in Italien in die politische Schmuddelecke gedrängt. Jetzt, wo sie als stärkste Partei die Regierungschefin stellen, führen sich viele auf, als gehöre der ganze Staat ihnen. Meloni hat sich zu der Entgleisung ihres Vertrauten bisher nicht geäußert. PD-Parteichefin Serracchiani brachte die gegenwärtige Situation am Dienstag auf den Punkt: „Wenn Meloni weiter schweigt, dann wird das Problem Donzelli zu einem Problem Meloni.“