Anhängern des untergetauchten Ägypters Yousif konnte bisher noch nicht der Prozess gemacht werden. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft versucht es jetzt erneut.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Anklage gegen zwei Männer erhoben, denen vorgeworfen wird, von Deutschland aus Freiwillige für den bewaffneten Kampf, den Dschihad, angeworben zu haben. Es handelt sich um Peter B. und Thomas Dominik D. Beide stammen aus dem Dunstkreis der Ulmer Islamistenszene, die sich um das Jahr 2000 um den aus Freiburg gekommenen Immunbiologen Yehia Yousif gebildet hatte.

 

Der gebürtige Ägypter Yousif begeisterte mit Hasspredigten gegen die westliche Welt eine Reihe gewaltbereiter junger Männer, die in der Folge zur Waffe griffen. Nebenbei arbeitete er als V-Mann für den baden-württembergischen Verfassungsschutz und trickste die Behörde dabei aus. Ende 2003 verschwand der Pate der Ulmer Islamistenszene ins Ausland – vermutlich Saudi-Arabien –, kurz bevor die Polizei seine Wohnung durchsuchte.

Der Sohn des Hasspredigers wurde nach Ägypten abgeschoben

Yousif hat einen Sohn, Omar, der in einem Terrorausbildungslager in Pakistan gewesen war und im Eilverfahren nach Ägypten abgeschoben wurde. Auch eine Tochter gibt es, ihr Ehemann ist jener 35-jährige Thomas Dominik D., der nach dem Willen der Staatsanwaltschaft Stuttgart vor Gericht kommen soll. Der 32-jährige Mitbeschuldigte Peter B. wiederum war eine Zeit lang Kassenwart des Islamischen Informationszentrum (IIZ) in Ulm. Dieser Verein hat sich mittlerweile infolge des Verbots des Multikulturhauses in Neu-Ulm durch die Behörden Ende 2007 freiwillig aufgelöst. B. soll unter anderem den Konvertiten Eric Breininger für den bewaffneten Kampf angeworben haben; Breininger war 2010 von pakistanischen Soldaten erschossen worden.

Alle Genannten zusammen waren nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft auch gut bekannt mit den im März 2010 vom Oberlandesgericht Düsseldorf abgeurteilten Ulmer Vertretern der Sauerland-Gruppe mit Fritz G. und Attila S., dazu Daniel S. Die Terroristengruppe hatte Bombenanschläge auf US-Soldaten vorbereitet.

Die Szenemitglieder sind noch weit von Verurteilung entfernt

Von einer Verurteilung sind mehrere Ulmer Szenemitglieder derzeit noch weit entfernt. Wie ein Sprecher des Landgerichts Stuttgart sagte, werde noch einige Zeit benötigt, bis über eine Zulassung der Anklage gegen B. und D. entschieden sei. Der Familienvater B. , lange per Haftbefehl gesucht, wurde im Juli am Frankfurter Flughafen gefasst. Er sitzt seither in Untersuchungshaft. Thomas Dominik D. befindet sich derzeit, gegen Auflagen, auf freiem Fuß und hält sich im Ausland auf. Mit Hilfe eines Zustellungsbevollmächtigten, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart, sei sichergestellt, dass D. Vorladungen verlässlich erhalte.

Die jetzt eingereichte Anklageschrift ist der zweite Versuch des Stuttgarter Staatsanwalts Markus Höschele, weitere Mitglieder der Ulmer Islamistenszene um Yehia Yousif zur Verantwortung zu ziehen. Der erste Anlauf, unternommen vor ziemlich genau zwei Jahren, scheiterte aus Sicht des Anklägers schmählich vor dem Landgericht. Ende Oktober 2010 saßen der Ulmer Rani M. sowie Ramez A. und Antonio M. auf der Anklagebank. Es fehlte noch der Angeklagte Omar Yousif, der sich aber nach Erkenntnis der Behörden wie sein Vater nach Saudi-Arabien abgesetzt hatte. Die gesamte Gruppe soll kampfwillige Männer aus Deutschland, mit Zwischenstation über ein ägyptisches Sprachinstitut, in Terrorcamps vermittelt haben. Wer dafür kein Geld hatte, bekam „Stipendien“ vermittelt.

Der Richter überließ den Prozess seinem Nachfolger

Doch kaum war der Prozess begonnen worden, platzte er auch schon. Anteil daran hatte 2010 eine forsche Versammlung von sechs Strafverteidigern, die unter anderem eine Befangenheit der Strafkammer geltend machte und beispielsweise beantragte, zwischen den Angeklagten dürften keine Wachtmeister sitzen. Der damalige Vorsitzende Richter Heinz Layher, dicht vor der Pensionierung stehend, hatte wohl umgehend begriffen, dass dieser Prozess nicht in der ihm verbleibenden Zeit zu Ende gebracht werden könnte. Er setzte ihn nach einiger Bedenkzeit aus – und überließ das Verfahren einem Nachfolger. Die damaligen Angeklagten mussten auf freien Fuß gesetzt werden.

An den Vorfall erinnert man sich beim Landgericht nicht gern. Ein Sprecher sagt, es sei damals „nicht von Anfang an abzusehen“ gewesen, „dass es ein so großes Verfahren werden würde“. Bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die über Monate ermittelt hat, wirkt der Unmut bis heute nach. Nun müssen, weil wegen des inhaftierten Peter B. Fristen einzuhalten sind, zwei getrennte Verfahren gegen Männer geführt werden, die wegen ein und derselben Sache unter Verdacht stehen und mutmaßlich über Jahre zusammengearbeitet haben.

Der Prozess, wenn er denn wirklich nächstes Jahr begonnen wird, verspricht Spannung, und nicht nur wegen der Frage, wie die Verteidigung dann agieren wird. Es dürften auch die Sauerland-Terroristen als Zeugen auftreten. Dann besteht die Chance, mehr darüber zu erfahren, wie die verschiedenen Generationen der Ulmer Islamistenszene zueinandergefunden haben.