Ankathie Koi spielt im Merlin das überzeugendste Achtzigerjahre-Konzert seit Neujahr 1990 und bringt eine selbstbewusste Sexualisiertheit auf die Bühne. Bleibt zu hoffen, dass sie keine Frau für eine Nacht ist ...

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wenn in den vergangenen Jahren vom Austropop-Hype die Rede war, musste man „Austropop“ eigentlich stets in Anführungszeichen setzen. Weil: was ist Austropop eigentlich? Pop aus Österreich, schon klar, aber auch irgendwie nicht. Jedenfalls verstanden hierzulande viele Musikhörer Austropop zuletzt vor allem Mundart-Pop à la Wanda, Voodoo Jürgens oder Nino aus Wien – die beiden Letztgenannten konnte man etwa 2017 im Merlin beim Pop-Freaks-Festival sehen.

 

2018 läuft wieder das Pop Freaks, und der österreichische Festivalbeitrag kommt diesmal von Ankathie Koi. Die stammt zwar nur fast aus Österreich, ist in Wien aber bestens bekannt – so gut sogar, dass sie 2016 das gar nicht oft genug zu lobende Popfest Wien ko-kuratierte.

Diese „hypertalentierte Rampensau“ legt am Freitagabend zum Auftakt des zweiten Pop-Freaks-Wochenendes im Merlin den überzeugendsten Achtzigerjahre-Abend seit Neujahr 1990 hin. Das hat nicht nur mit Äußerlichkeiten wie dem Voodoo-Jürgens-haften Vokuhila der Sängerin zu tun oder mit ikonischen Instrumenten wie der Keytar, die teilweise zum Doppeleinsatz kommt – was man auch nicht alle Tage sieht.

Gemeinsam mit dem E-Drumset ergibt der Keytar-Bass das passende synthetische Fundament für die erstaunliche Stimme von Ankathie Koi. Die kann sprechen wie ein Mann und singen wie eine Discoqueen. Sie erinnert besonders bei ihren (auf dem aktuellen Album leider nicht vertretenen) deutschsprachigen Titeln an die in den Siebzigerjahren mäßig erfolgreiche, von Frank Farian produzierte Linzer Sängerin Gilla. Deren rauchige Stimme lieh Discotracks wie „Zieh mich aus“ eine tief in ihrer Zeit verwurzelte Erotik. Ankathie Koi, die im Merlin manche Zuhörer eher an die kanadische Queerpunkerin Peaches erinnert, setzt dem eine wesentlich feministischere Haltung entgegen. Wenn es bei ihr ums Ausziehen geht, dann spielt das literarische Frauen-Ich eine wesentlich selbstbewusstere Rolle, und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass darin auch viel von der Persönlichkeit der Künstlerin selbst steckt.

Der schönste Moment des Konzerts am Freitag stellt sich bei „Foreign Heart (Caribbean Theme)“ ein. Zu dem Vergnügen, auf Achtzigerjahre-Discobeats und die hochvirtuos vorgetragenen Melodien der Sängerin zu tanzen, gesellt sich in diesem Song die österreichische Südsee-Leidenschaft. Schon Falco floh dereinst in die DomRep und schnallte sich dort für ein Konzert 1997 sogar noch einmal die Bassgitarre um.  Ankathie Kois zuckersüße Karibikhymne macht diese Künstlerin endgültig zur neuen österreichischen Guilty Pleasure. Man gibt sich ihr nur zu gern hin - und kann bloß hoffen, dass sie keine Frau für eine (Konzert-)Nacht ist.