Ein Unfall mit zwei Toten kommt in Ulm vor Gericht. Ein entscheidendes Beweismittel ist der Handyfilm, den einer der Unfallopfer von der Todesfahrt aufgenommen hat.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Ulm - Die Kreisstraße zwischen Schalkstetten und Amstetten im Alb-Donau-Kreis ist berüchtigt. Sie führt durch ein Waldstück und über mehrere Kuppen. Es gilt ein Überholverbot und eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 Kilometern pro Stunde. Doch der junge Mann am Steuer gibt dem 500 PS starken Motor seines Mercedes AMG ordentlich Zunder. „Gleich fühlt es sich an, als ob wir abheben“, ruft er seiner Freundin und den beiden Jungs auf der Rückbank zu. 15 und 16Jahre sind sie alt. An der zweiten Kuppe hebt der Wagen wirklich ab, schanzt von der Fahrbahn, überschlägt sich und fliegt 50 Meter weit in den Wald. In 3,50 Meter Höhe kracht er gegen drei Bäume. Die Frau und einer der Jugendlichen sind sofort tot, der andere liegt tagelang im Koma. Der Sportwagen im Wert von 100 000 Euro ist nur noch Schrott. Der Fahrer kann sich nahezu unverletzt aus dem Wrack befreien.

 

Der Kick des gefühlten Abhebens

Jetzt kommt der Unfall, der am 8. Oktober des vergangenen Jahres die Rettungskräfte an ihre Grenzen brachte, vor das Ulmer Amtsgericht. Der heute 28-jährige Fahrer muss sich vom 28. Juni an wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs verantworten. Der Beschuldigte habe aus maßloser Selbstüberschätzung und aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern keine Bedenken gegen seine gefährliche Fahrweise entwickelt, glaubt die Staatsanwaltschaft. Es sei um den Nervenkitzel des „gefühlten Abhebens“ gegangen. Auch anderen Freunden hochmotorisierter Fahrzeuge soll er die ihm gut bekannte Strecke empfohlen haben.

Um herauszufinden, wie schnell der 28-Jährige damals unterwegs gewesen ist, musste die Polizei nicht auf das Gutachten eines Sachverständigen warten. Der 15-Jährige auf der Rückbank, der noch an der Unfallstelle starb, hielt die Todesfahrt auf einem Handyfilm fest. Gut seien darauf die Windschutzscheibe, die Straße, aber auch das Armaturenbrett zu sehen, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Bischofberger. Tempo 200 habe der 28-Jährige demnach auf dem Tacho gehabt.

Mordabsicht nicht nachweisbar

Aus dem Film lasse sich aber auch schließen, dass der Mann wohl davon ausgegangen sei, dass es schon irgendwie gut gehen werde. „Einen bewussten Tötungsvorsatz“ könne ihm die ermittelnde Staatsanwältin nicht nachweisen. Deshalb sei der Mann – anders als in anderen prominenten Raserfällen der jüngeren Vergangenheit – nicht wegen Mordes angeklagt worden, sagt Bischofberger. Über seinen Verteidiger räumte der Angeschuldigte die Vorwürfe ein. Das Amtsgericht kann Haftstrafen von bis zu vier Jahren verhängen.