Die neue Außenministerin beschwört die deutsch-französische Freundschaft – trotz weiter bestehender Differenzen. Annelena Baerbock nutzt ihre Paris-Visite auch für ein paar schöne Fotos.

Paris - Deutschlands neue grüne Außenministerin Annalena Baerbock hat trotz bestehender Meinungsunterschiede etwa bei der Atomkraft die deutsch-französische Freundschaft beschworen. Europa sei „Dreh- und Angelpunkt der deutschen Außenpolitik“, sagte Baerbock am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian in Paris. „Dafür braucht ein starkes Europa starke deutsch-französische Impulse.“ In der sich zuspitzenden Ukraine-Krise warnte sie Russland vor gravierenden Folgen bei einer weiteren Eskalation.

 

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Nach dem Treffen mit Le Drian reiste Baerbock mit dem Hochgeschwindigkeitszug Thalys nach Brüssel. Dort wollte sie am Nachmittag mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, dem US-Klimaschutzbeauftragten John Kerry und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprechen. Am Freitag fliegt Baerbock nach Warschau zum Antrittsbesuch bei ihrem polnischen Kollegen Zbigniew Rau.

Neben den Beratungen über die aktuellen Krisen nutzt die erste Frau an der Spitze des Auswärtigen Amts die Paris-Visite auch für einige private Momente. Auf dem Weg vom französischen Außenministerium am Quai d’Orsay zum Gare du Nord, dem Thalys-Bahnhof, lässt die 40-Jährige ihre Fahrzeugkolonne kurz auf einer Seine-Brücke halten, um Fotos mit dem Eiffelturm im Hintergrund machen zu lassen. Diese seien nur für ihre beiden Töchter, sagte sie bei dem spontanen Stopp.

Kleiner Umweg am weltberühmten Louvre

Anschließend machen die Fahrer mit Baerbock noch einen kleinen Umweg am weltberühmten Louvre vorbei. Im Bahnhof bleibt sie bei zwei Klavierspieler stehen, bevor sie in den Zug steigt - greift aber nicht selbst in die Tasten.

Bei ihrem Auftritt mit Le Drian hatte Baerbock zuvor gesagt, Europa wäre schwächer, wenn Deutschland nicht in die Beziehungen zwischen Paris und Berlin investiere. Mit Blick auf die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Frankreich Anfang 2022 nannte sie die von Paris initiierte Konferenz zur Zukunft Europas einen wichtigen Meilenstein für die EU. Baerbock duzte Le Drian und bedankte sich „für diesen wirklich warmen und freundschaftlichen Empfang“. Sie sagte: „Was gibt es schöneres als für eine Außenministerin am ersten Morgen im neuen Amt in Paris zu sein.“

Le Drian sagte, er freue sich, „mit Annalena“ die vertrauensvolle Beziehung fortzuführen, die er mit ihrem Vorgänger Heiko Maas (SPD) gehabt habe. Die Beziehung der beiden Außenminister seien „ein bisschen der Schatz der deutsch-französischen Beziehung im Dienste Europas“. Sie sei essenziell, „um nicht zu sagen, lebenswichtig für unsere beiden Völker“.

„Unterschiedliche Positionen“ zu Nuklear

Trotz der geradezu überschwänglichen Töne blieb Baerbock bei der Ablehnung der französischen Pläne zur Einstufung von Atomkraft als „grüner“ Energie. „Dass wir zu der Frage Nuklear unterschiedliche Positionen haben, das ist ja bekannt“, sagte sie. Über das Thema der sogenannten Taxonomie werde auf allen Ebenen gesprochen, auch zwischen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie auf der europäischen Ebene in Brüssel. Scholz wollte am Freitag zum Antrittsbesuch zu Marcron reisen.

Besonders kontrovers ist in der EU nach wie vor, ob Atomkraft und Gas auch als nachhaltig gelten können. Frankreich will zusammen mit Ländern wie Polen und Tschechien Atomkraft um jeden Preis als „grün“ kennzeichnen. Unter anderem Deutschland, Luxemburg und Österreich sind strikt dagegen.

Im sich zuspitzenden Ukraine-Konflikt drohte Baerbock Russland im Falle einer Eskalation mit schweren Folgen. „Russland würde einen hohen politischen und vor allem wirtschaftlichen Preis für eine erneute Verletzung der ukrainischen Staatlichkeit zahlen.“ Eine militärische Eskalation müsse vermieden werden. Lösungen könne man nur auf einem diplomatischen Weg finden, sagte Baerbock. Sie und Le Drian seien bereit, sich dabei persönlich tief gehend zu engagieren.

Ein Wiedersehen wird es schon bald geben

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine spitzte sich in den vergangenen Wochen weiter zu. Die USA werfen Russland einen Truppenaufmarsch unweit der Grenze zur Ukraine vor. Befürchtet wird im Westen eine russische Invasion der Ex-Sowjetrepublik. Russland weist das zurück und wirft der Ukraine vor, mehr als 120 000 Soldaten an die Linie zu den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten verlegt zu haben.

Frankreich und Deutschland vermitteln in dem seit 2014 währenden Konflikt im Rahmen des Normandie-Formats zwischen der Ukraine und Russland. Ihr 2015 in Minsk vereinbarter Friedensplan liegt aber auf Eis. Zuletzt wurde im Dezember 2019 ein Normandie-Gipfel in Paris abgehalten. Le Drian sagte, Frankreich und Deutschland wollten so bald wie möglich ein neues Treffen auf Ministerebene abhalten.

Vom „Anfang einer zukünftigen Freundschaft“, sprach Baerbock bei dem Auftritt mit Le Drian. Am Ende sagt sie in ihrer ersten großen internationalen Pressekonferenz im Amt die einzigen französischen Worte: „Merci. Au revoir“ - auf deutsch: „Danke. Auf Wiedersehen.“ Ein Wiedersehen wird es schon bald geben: Am diesem Freitagabend beim G7-Treffen der Außenminister im britischen Liverpool und am Montag erneut zum EU-Außenrat in Brüssel. Dabei dürften die Ukraine und Moskau im Zentrum stehen.