Bei Anne Will zeigt sich, warum Selbsttests keine Lösung sind und warum es in Deutschland wohl zu keinen weiteren Öffnungen kommen kann. Eine Gastronomin bringt dann einen gestandenen Politiker in Verlegenheit.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Die wärmenden Strahlen der Sonne hatten am Samstag noch nicht an allen Stellen den Reif der Nacht weggetaut, da waren zahlreiche Discounter schon ausverkauft. Zum ersten Mal gab es bei Aldi, Lidl und Co die so genannten Selbsttests, mit denen jeder am heimischen Küchentisch feststellen können soll, ob er das Coronavirus in sich trägt. Noch am gleichen Abend sei sie von irritierten Menschen überrannt worden, die nicht wissen, wie sie das positive Ergebnis ihrer Selbstdiagnose einschätzen, und was sie danach machen sollten, sagt Lisa Federle.

 

Testen, was das Zeug hält

Die Pandemiebeauftragte des Landkreises Tübingen ist am Sonntag Abend zu Gast bei Anne Will. Seit Beginn des Herbstes testet die Ärztin in Tübingen was das Zeug hält. Professionell. Privat sei das anders. „Viele Tests werden falsch angewendet“, weiß sie aus der Praxis zu berichten. Ihre Schlussfolgerung: Kommunen müssen Testzentren einrichten, die Menschen einlernen und aufklären. „Ich bin dagegen, dass jetzt jeder daheim selber testet“.

Bei Karl Lauterbach erntet sie damit Zustimmung. „Die Menschen wissen nicht einmal, wie lange ein negatives Testergebnis aussagekräftig ist“, sagt der SPD-Gesundheitsexperte. Die Antwort gibt er gleich dazu: sechs bis acht Stunden. „Viele Menschen denken aber, es seien zwei Tage“. Lauterbach plädiert für die systematische Testung. Wer eine ganze Schule teste oder die Mitarbeiter eines Betriebes, der habe die Möglichkeit Cluster zu erkennen – und die Verbreitung des Virus schnell zu stoppen. Das gelinge zu Hause nicht. Sein Plädoyer: Der Bund möge alles an Tests aufkaufen, was auf dem Markt zu finden ist, und dann an die Länder verteilen.

 

Hoteliers brechen in Tränen aus

An den Öffnungsbeschlüssen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten haben weder Lauterbach noch Federle viel Freude. Angela Inselkammer auch nicht, wenn auch aus einer völlig anderen Perspektive heraus. Die Präsidentin des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes berichtet von Mitgliedern, die täglich am Telefon in Tränen ausbrechen, weil sie vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Die Ankündigung, vielleicht am 22. März mit der Außengastronomie zu starten, sei keine Perspektive, sagt Inselkammer. Und sie stellt eine Frage, die auf der Hand liegt: „Warum erlaubt man den Menschen nach Mallorca zu fahren, lässt aber keine Reise in Deutschland zu?“.

Reiner Haseloff kann nicht mehr als den Versuch einer Antwort bieten. „Das sollen sie nicht“, sagt der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Auf den Hinweis, dass es viele Menschen aber doch so machen, kommt die resignierende Antwort: „Das ist das Schlimme“. Auch auf anderem Feld macht der CDU-Politiker keine überzeugende Figur. Auf dreifache Nachfrage von Anne Will, ob denn alle Sachsen-Anhaltiner vom heutigen Montag an einen Schnelltest pro Woche machen könnten, kommt keine klare Ansage. Jeder, der zuhört versteht aber was gemeint ist: Sie können es wohl nicht. Und ob sein Einwurf: „Im Zoo brauchen Sie keinen Schnelltest wenn sie Abstand halten“ clever gewesen ist, das ist eine andere Frage.

Keine weiteren Öffnungen möglich

Noch eine andere Frage ist es, ob die Öffnungsschritte, wie in der vergangenen Woche besprochen, überhaupt angewendet werden können. Nein, sagt Karl Lauterbach, und verweist auf die Notbremse, die ein Teil der Vereinbarung ist. Steigt die Inzidenz, sollen die Öffnungen demnach zurückgenommen werden. „Wir werden stetig steigende Fallzahlen sehen, weitere Lockerungen werden keine Rolle spielen“, sagt Lauterbach der gerade deswegen den Beschluss der vergangenen Woche harsch kritisiert: „Wir kombinieren das Signal der Lockerung mit einem Beschluss, der diese Lockerung gerade unmöglich macht“. Die Gesichtszüge von Angela Inselkammer werden noch frostiger.