Einige Anthroposophen und Waldorf-Anhänger stehen Impfungen skeptisch gegenüber. Wie ist das mit den Vakzinen gegen das Coronavirus? Und wie läuft das in der Karl-Schubert-Gemeinschaft in Filderstadt, in der Menschen mit Behinderung leben und arbeiten, die als Risikopatienten gelten?

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Filderstadt - Warum Impfen in einer anthroposophischen Gemeinschaft kritischer diskutiert wird, erklären Tobias Braun und Pascal Franz. Tobias Braun, 1980 in Freudenstadt geboren, ist seit acht Jahren in der Karl-Schubert-Gemeinschaft tätig, seit drei Jahren als Geschäftsführer. Bei Entscheidungen braucht er die Zustimmung des Werkstattrats Pascal Franz. Pascal Franz, 1985 in Stuttgart geboren, ist seit 17 Jahren in der Karl-Schubert-Gemeinschaft. Zur Gemeinschaft gehören Wohngruppen in Aichtal sowie eine Werkstätte in Filderstadt.

 

Herr Braun, Anhänger der Waldorfpädagogik stehen Impfungen eher skeptisch gegenüber. In der Karl-Schubert-Gemeinschaft leben und arbeiten aber Risikogruppen. Wie gehen Sie damit um?

Tobias Braun: Ja, in anthroposophischen Einrichtungen wird Impfen kritischer diskutiert. Das betrifft aber vor allem den Bereich der Kinderkrankheiten. Aus anthroposophischer Sicht haben manche Krankheiten ihren Sinn. Bei Corona kann ich keine Impfskepsis erkennen. Ich weiß von Menschen, die bei uns sind, weil sie einen nachgewiesenen Impfschaden haben – und sich trotzdem schon gegen Corona impfen lassen haben. Die anthroposophische Medizin vertritt keine Anti-Impf-Haltung und unterstützt keine Anti-Impf-Bewegung.

Wie hoch schätzen Sie die Impfbereitschaft ein?

Braun: Bei meinen Kolleginnen und Kollegen wollen sich inzwischen mindestens zwei Drittel gegen Corona impfen lassen. Ich glaube, dass es bei den Menschen mit Assistenzbedarf ähnlich ist, oder Herr Franz?

Pascal Franz: Aus meiner Abteilung – der Metallbearbeitung – sind schon vier oder fünf von insgesamt 24 Menschen geimpft. Ich habe es auch schon bei der 116 177 versucht. Da heißt es leider immer, dass keine Termine zur Verfügung stehen. Ich will mich aber auf jeden Fall impfen lassen.

Wissen Sie von welchen, die das anders sehen?

Franz: Nein. Nur ein Kollege meinte, dass er es bei einem Hausarzt und nicht in einem der Impfzentren machen will. Hoffentlich wird alles wieder besser, wenn viele Menschen geimpft sind.

Wie wird bei Ihnen zur Impfung informiert?

Braun: Wir haben Material der Bundesregierung und vom Robert-Koch-Institut verschickt sowie Infos in einfacher Sprache vom Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen und vom Landesverband Lebenshilfe. Wir versuchen, mit Corona maximal transparent umzugehen. Teils gehen ein bis zwei Newsletter pro Woche an Eltern, gesetzliche Betreuer und Selbstvertreter raus. Wir verschicken eher zu viele Infos als zu wenige.

Planen Sie, dass mobile Impfteams kommen?

Braun: Ja, das ist unser großer Wunsch. Wir bemühen uns seit Anfang Februar um einen Termin und haben nun ganz aktuell die Zusage bekommen, dass Ende April, Anfang Mai ein mobiles Impfteam zu uns kommen wird. Dafür sind wir dankbar, es muss aber auch erwähnt werden, dass in umliegenden Stadt- und Landkreisen Bewohnerinnen und Bewohner von Behinderteneinrichtungen schon geimpft wurden. Das sorgt bei uns für schlechte Stimmung. Etliche Angehörige haben den Wunsch, dass wir früher das Impfen übernehmen und in ein Impfzentrum gehen. Wir können aber aus organisatorischen und aus rechtlichen Gründen nicht mit 280 Menschen ins Impfzentrum gehen. Wir sind auf mobile Impfteams angewiesen.

Kommen denn zurzeit alle in die Werkstätte?

Braun: Wir dürfen seit Januar als alternative Leistung auch Heimarbeit anbieten. In Heimarbeit sind im Moment knapp 20 von rund 280 Beschäftigten – vor allem diejenigen mit hohem Risiko auf einen schweren Verlauf oder wenn jemand Herz-Lungen-Erkrankungen hatte. Jeder entscheidet selbst, aber wir haben sehr deutlich über die Risiken aufgeklärt.