Nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Toten haben Grüne und CDU im Südwesten ein Anti-Terror-Paket ausgehandelt. Juristen und Datenschützer sehen das Ergebnis sehr kritisch.

Stuttgart - Das geplante Anti-Terror-Paket der grün-schwarzen Landesregierung stößt bei Experten teils auf massive Kritik. Mehrere Juristen äußerten bei einer Anhörung am Donnerstag im Landtag in Stuttgart verfassungsrechtliche Bedenken. „Man muss kein Verfassungsästhet sein, um erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Regelungen zu haben“, sagte etwa der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink. Grünen-Innenexperte Uli Sckerl sagte daraufhin, seine Fraktion habe noch Gesprächsbedarf und schließe Änderungen an den Entwürfen nicht aus. Innenstaatssekretär Martin Jäger geht dennoch davon aus, dass der Landtag das Paket am 8. November in der jetzigen Form beschließt.

 

SPD-Innenexperte Sascha Binder forderte, das Gesetzgebungsverfahren auszusetzen. „Die rechtlichen Ausführungen der angehörten Experten kann man nur als einen Totalverriss der Gesetzentwürfe bezeichnen.“ Es gebe keinen Anlass, das Paket durchs Parlament zu peitschen.

Präventive Überwachung von Telefonaten ist so nicht rechtens

Der Rechtsanwalt und Wissenschaftler Nikolaos Gazeas kritisierte zum Beispiel, dass die geplante präventive Überwachung von Telekommunikation - also etwa von Telefonaten - punktuell die Grenze des verfassungsrechtlich zulässigen überschreite. Die geplante Vorschrift sei unverhältnismäßig, da sie über den Bereich der Terrorbekämpfung hinausgehen solle. Er legte dem Gesetzgeber auch nahe, auf die „Quellen-TKÜ“ zum jetzigen Zeitpunkt zu verzichten. Dabei handelt es sich um das Abfangen etwa von Nachrichten über Whatsapp vor der Verschlüsselung. Die Maßnahme gilt als heikel, weil Beamte dazu heimlich einen Trojaner auf das Gerät aufspielen müssen.

Die Grünen pochen darauf, dass nur Trojaner zur Quellen-TKÜ eingesetzt werden, die nicht gleichzeitig die hochumstrittene Online-Durchsuchung ermöglichen, die die Grünen klar ablehnen. Experte Gazeas meinte, IT-Experten jenseits der Polizei seien sich einig darüber, dass diese Anforderungen technisch nicht zu erfüllen seien. BKA-Vertreterin Julia Pohlmeier widersprach jedoch. Eine entsprechende Software liege dem BKA mittlerweile vor. Grünen-Politiker Sckerl forderte daraufhin einen Testlauf mit der Software. „Wir wollen im Praxistest sehen, ob das funktioniert.“

Verschlüsselte Kommunikation im Netz abfangen

Vertreter des Bundeskriminalamtes (BKA), des Landeskriminalamtes und von Gewerkschaften pochten am Donnerstag unisono auf die Möglichkeit, internetbasierte, verschlüsselte Kommunikation via Quellen-TKÜ abfangen zu dürfen, um Terroranschläge zu verhindern. Die Kommunikation im Netz laufe heute vorrangig verschlüsselt ab, sagte der Präsident des Landeskriminalamtes, Ralf Michelfelder. Die Quellen-TKÜ sei das Maß der Dinge, um schwere Gefahren abzuwehren.

Der Präsident des Anwaltsvereins Baden-Württemberg, Peter Kothe, und der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan hielten dagegen. Die Quellen-TKÜ beruhe ja eben darauf, dass Sicherheitslücken im Netz zum Aufspielen eines Trojaner ausgenutzt würden. Beide Experten deuteten an, dass der Staat dann also ein Interesse an solchen Sicherheitslücken habe. Brink sprach von einer „erheblichen Schwächung der Datensicherheit im Netz“ - dieser Preis sei zu hoch.

Nur Fälle mit Terrorbezug

Experte Gazeas bemängelte auch die geplanten Regelungen zur Ausstattung von Spezialeinheiten der Polizei mit Sprengstoffen. Der Einsatz könne laut dem Gesetzentwurf von jedem Beamten des höheren Dienstes angeordnet werden. „Das wird der Schärfe und Gewichtung dieser Maßnahme nicht gerecht“, meinte Gazeas. Der Einsatz solle zudem klar auf Fälle mit Terrorbezug beschränkt werden.

Die Landesregierung hatte das Anti-Terror-Paket unter dem Eindruck des Terroranschlags auf einen Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember mit zwölf Toten ins Visier genommen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte damals an, wenn nötig bis an die Grenze des verfassungsrechtlich Möglichen gehen zu wollen. Grüne und CDU einigten sich im Frühsommer nach langem Tauziehen auf das Paket.