Während der Corona-Krise sollen 39 Städte das Radfahren sicherer und die Luftqualität besser machen – darunter acht Städte in Baden-Württemberg. Die Resonanz ist verhalten.

Ludwigsburg - In Bogotá, der kolumbianischen Hauptstadt, sind innerhalb weniger Tage um die 120 Kilometer Fahrradwege auf Hauptstraßen entstanden. In Berlin-Kreuzberg wiederum wurden jüngst mehrere neue Radstreifen eingerichtet – und seitdem intensiv genutzt. So schreibt es die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in einer Mitteilung – und fordert nun 39 deutsche Städte mit hoher Luftbelastung auf, sich ein Beispiel zu nehmen und nachzuziehen. Sie sollen Straßen während der Corona-Krise zu Fahrradstraßen umwidmen und Innenstädte zu Tempo-30-Zonen erklären.

 

In Baden-Württemberg hat die Umwelthilfe entsprechende Anträge an Heilbronn, Marbach, Ludwigsburg, Backnang, Stuttgart, Esslingen, Reutlingen und Freiburg geschickt – jene Städte, gegen die der Verein mit Blick auf zu hohe Schadstoffwerte in der Luft Rechtsverfahren eingeleitet hat. Die Organisation unter Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch setzt ihnen eine Frist bis zum 16. April, danach will sie bei Bedarf vor Gericht ziehen.

DUH will Krankenhäuser durch sichere Radwege entlasten

Der Hintergrund der Anträge ist die Corona-Krise, durch die sich der Verkehr laut der DUH in vielen Städten beruhigt hat. Um Kontakte zu anderen Menschen zu reduzieren, mieden derzeit viele die öffentlichen Verkehrsmittel. Der Gedanke der Umwelthilfe: Straßen könnten kurzfristig zu Radwegen umfunktioniert werden, sodass sie von Radlern sicher genutzt werden könnten. Gleichzeitig würde sich dadurch die Luftqualität verbessern. Darüber hinaus stützt die Organisation ihren Antrag auf ein anderes Argument: „Sichere Fahrradstraßen entlasten vor allem auch Rettungsstellen und Krankenhäuser in Zeiten der immensen Herausforderungen durch das Coronavirus“, heißt es in der Mitteilung.

In Stuttgart haben sich die Initiative Radentscheid und der ADFC Stuttgart bereits mit einem ähnlichen Vorschlag an den Gemeinderat gewandt. Sie schlugen vor, den rechten Fahrstreifen mehrspuriger Hauptverkehrsstraßen in einen Radstreifen umzuwidmen, solange die Corona-Verordnung gilt.

Die Esslinger Stadtverwaltung verfasst derzeit eine Antwort auf den Antrag, wie Sprecher Roland Karpentier mitteilt. Wie sie lauten wird, sagt er zwar nicht, betont aber: „Die Stadt ist schon seit Langem daran, das Radwegenetz auszubauen – unabhängig von den Forderungen der Deutschen Umwelthilfe.“

Ludwigsburg: Vorschlag ist utopisch

In Ludwigsburg nimmt man die Forderungen der DUH mit Erstaunen zur Kenntnis, reagieren wird man darauf nicht. „Ich habe den Eindruck, dass Herr Resch einfach mal wieder seinen Namen in der Presse lesen will, weil es in letzter Zeit ruhiger um die Umwelthilfe geworden ist“, sagt der Bürgermeister Michael Ilk. Der Grundgedanke, die Luft sauberer zu machen, sei zwar richtig. „Aber so können wir das nicht machen.“

Das Rathaus arbeite zurzeit im Notbetrieb und bemühe sich darum, die „wirklich absolut notwendigen Dinge aufrechtzuerhalten“. Nicht nur wegen der rechtlichen Hürden sei eine umfassende Begrenzung auf Tempo 30 oder die Umwidmung von Auto- in Fahrradstraßen nicht innerhalb weniger Tage zu schaffen und der Vorschlag daher völlig utopisch. „So etwas ist enorm aufwendig“, sagt Ilk. Ihm zufolge müssten unzählige Schilder bestellt und alle Ampelschaltungen angepasst werden – denn diese seien auf Tempo 50 ausgelegt und aufeinander abgestimmt.

Argumente dieser Art lässt der DUH-Chef nicht gelten: „Berlin-Kreuzberg hat es geschafft, innerhalb von 48 Stunden mehrere Radstreifen zu planen, zu genehmigen und einzurichten“, sagt Resch. „Es kommt nur darauf an, ob der Wille da ist.“