Weil eine 35-jährige Konzertbesucherin von einer Wasserflasche am Kopf getroffen worden ist, hat die Frau nun Strafanzeige gegen den Musiker Cro gestellt. Die Staatsanwaltschaft prüft noch. In Konzertkreisen reagiert man mit Unverständnis.

Stuttgart - Die Freilichtbühne Loreley, eine der schönsten Open-Air Locations Deutschlands, wird dem Musiker Cro wohl nicht in ungetrübter Erinnerung bleiben. Denn nach seinem Auftritt am 20. August vor malerischer Rhein-Kulisse ist am Donnerstag bei der Staatsanwaltschaft Koblenz eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den 26-Jährigen eingereicht worden.

 

Klägerin ist eine 35-jährige Konzertbesucherin, die mit ihrem zehnjährigen Sohn das MTV-Unplugged-Konzert auf der Loreley in St. Goarshausen besucht hat. Der Musiker und Sänger hatte während seines Auftritts einige Wasserflaschen für die Fans ins Publikum geworfen. Eine der Ein-Liter-Plastikflaschen traf die Frau nach Angaben der Staatsanwaltschaft am Kopf. Wohl so unglücklich, dass sie für ein bis zwei Minuten das Bewusstsein verloren hat. Sanitäter vor Ort kümmerten sich sofort um die Frau, soweit deckt sich der Kenntnisstand der ermittelnden Behörde mit der Stellungnahme von Chimperator, dem Management von Cro.

Anwalt: Wissen nicht, ob die Schäden bleibend sind

Von weitreichenden Folgen des Vorfalls berichtet unterdessen der mit der Klage betraute Anwalt der 35-Jährigen dem SWR. Seine Mandantin leide weiterhin unter den Folgen des Wurfs. Unter anderem seien der Gleichgewichtssinn und das Sehvermögen beeinträchtigt. Der SWR zitiert den Rechtsvertreter: „Wir wissen nicht, ob es je ausheilen wird.“

Ganz so weit geht der Kenntnisstand der Staatsanwaltschaft im Moment nicht. Man prüfe die Anzeige, sobald alle erforderlichen Informationen von Seiten der Klägerin eingereicht worden seien, heißt es aus Koblenz. Erst dann werde entschieden, ob überhaupt ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung des Künstlers bestehe. Im Klartext: Noch ist nicht entschieden, ob der Klage stattgegeben wird. Das Vorgehen ist bei einer Privatklage so üblich. Sollte es zu einer Anklage kommen, sieht das Gesetz für fahrlässige Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.

Management fände eine Anzeige „ziemlich schade“

Geht es nach Sebastian Schweizer, Geschäftsführer bei Chimperator mit Sitz in Stuttgart und Berlin, besteht dieses Interesse sicherlich nicht. Ihn hat die Anzeige zweieinhalb Monate nach dem Vorfall kalt erwischt: „Die Nachricht heute Morgen hat uns überrascht“, so Schweizer in einer schriftlichen Stellungnahme. Den Vorfall an sich bestreitet Cros Managment nicht, der Künstler habe „zur Abkühlung seiner Fans in den ersten Reihen Wasser an das Publikum gegeben. Die Mutter eines Fans wurde dabei leider offenbar unglücklich am Kopf getroffen. „Wir haben im direkten Anschluss an das Konzert mit ihr gesprochen, uns bei ihr ausdrücklich entschuldigt und sie und ihren Sohn zu einem Cro-Konzert ihrer Wahl eingeladen. Auch haben wir sie gebeten, sich jederzeit an uns zu wenden, wenn wir noch etwas für sie tun können. Zudem wurde ihr über unsere Versicherung bereits ein Schmerzensgeld gezahlt; der Entschädigungsvorgang ist allerdings noch nicht abgeschlossen.“

Von einer Strafanzeige gegen ihren Künstler sei dem Management nichts bekannt. Sollte es eine geben, fänden die Menschen hinter dem Phänomen Cro das „ziemlich schade“. Darüber hinaus wollte sich Schweizer gegenüber unserer Zeitung nicht äußern, auch Cro war zu einer persönlichen Stellungnahme nicht bereit.

Stuttgarter Konzertveranstalter: „Sturm im Wasserglas“

Mit Unverständnis auf den Fall reagiert einer, der sich mit Haftungsfragen bei Konzerten bestens auskennt. „Aus meiner Sicht ist die Anzeige völlig überzogen“, sagt Paul Woog. Der Geschäftsführer der Michael Russ GmbH, einem der größten Konzertveranstalter der Region Stuttgart, spricht gar von „einem Sturm im Wasserglas“. Man könne hier sicher nicht von Fahrlässigkeit oder gar von einem Vorsatz sprechen. Cro habe ja in bester Absicht gehandelt, als er die Wasserflaschen ins Publikum warf. Zudem sei die Versorgung der zumeist jugendlichen Fans mit Wasser Usus, sonst müsse man Reihenweise mit umkippenden Fans rechnen.

Versichert seien bei einem Konzert alle Beteiligten, also der Veranstalter, der Betreiber des Veranstaltungsortes und der Künstler selbst. Sanitäter seien immer zur Stelle, falls doch etwas passiere. Das komme allerdings äußerst selten vor. Schließlich stehe hinter jeder Veranstaltung ein engmaschiges Sicherheitskonzept.

„Wir haben in den letzten fünf Jahren ganze zwei Fälle gehabt, bei denen Konzertbesucher verletzt wurden. Und in dieser Zeit haben wir Millionen Menschen bewegt“, sagt Woog. „Die Anzeige ist an den Haaren herbeigezogen“, ist sich der Stuttgarter Geschäftsmann sicher und passieren könne auch zuhause auf der Toilette etwas. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft das genauso sieht.