Zur beginnenden Mostsaison erreichen die Ausläufer der Ukraine-Krise auch den kleinen Stücklesbesitzer im Kreis Esslingen. Viel Geld gibt es für Äpfel derzeit nämlich nicht. Für Kleinerzeuger und Privatleute lohnt sich das Aufsammeln der Äpfel aber dennoch.

Esslingen - Die Wellen der Ukraine-Krise schlagen nicht nur hoch, sondern auch weit, vielleicht sogar weiter, als manch einer gedacht hätte. Zur beginnenden Mostsaison erreichen die Ausläufer sowohl den großen Obstbauern als auch den kleinen Stücklesbesitzer im Kreis Esslingen. Vielerorts hängen die Apfelbäume voller Früchte, doch viel Geld gibt es für den Doppelzentner aktuell nicht. Dass die Mostereien diesen Herbst einen Ansturm erleben werden, bleibt daher abzuwarten, sagen lokale Safthersteller. Für Kleinerzeuger und Stücklesbesitzer lohnt sich das Aufsammeln aber dennoch.

 

Vier Euro für 100 Kilo Äpfel? Da muss man lange für Pflücken, das weiß auch Thomas Bosch. Doch das ist der Preis, den der lokale Saftproduzent aus Unterlenningen seinen Anlieferern derzeit bezahlt. Bosch hat am Wochenende mit der Obstannahme begonnen. Wer jetzt aber glaubt, dass er glücklich über solche Kellerpreise sei, der irrt. „Man muss sich fast schämen, den Leuten nur so wenig zahlen zu können“, sagt Bosch, der Grundstücksbesitzer, merklich verärgert über die Situation. Aber als Bosch, der Saftproduzent, hänge er eben im Geschäft mit drin.

„Das geht runter bis zum Stücklesbesitzer“

Dass das Apfel-Geschäft nun auch von der Ukraine-Krise berührt wird, daran hat bis vor kurzem kaum jemand gedacht. „Das geht runter bis zum Stücklesbesitzer“, sagt Thomas Bosch. Denn nachdem Russland Anfang August einen Importstopp unter anderem für Obst und Gemüse aus EU-Ländern verhängt hat, sind auch die Äpfel von Europas Top-Apfel-Produzenten Polen auf dem westlichen Markt. Bislang exportierte das Land jährlich bis zu 900 000 Tonnen nach Russland. Hinzu kommt, dass aktuell eine Rekordernte erwartet wird.

Auch im deutschen Süden hängen die Bäume voller als in den vergangenen Jahren, wenn es auch regionale Unterschiede gibt. „Im Lenninger Tal haben wir eine gute Apfelernte, am Bodensee ist sie dagegen sehr gut“, weiß Thomas Bosch.

Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Saison gerade erst begonnen hat. „Wir werden im Laufe der nächsten Wochen mehr bezahlen“, sagt er und erinnert an die gute Ernte vor sechs Jahren. „Damals ging es von einem Anfangspreis von 4,50 hoch auf sechs Euro“, erklärt er. Ob es aber in diesem Jahr noch so viel werde, wisse er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Der gute alte Tauschhandel lohnt

Damit die Leute ihre Äpfel dennoch aufsammeln und in den Keltereien abgeben, bieten Bosch sowie viele andere kleine Mostereien, Privatleuten den guten, alten Tauschhandel an. „Bei uns gibt es für 200 Kilo Äpfel 120 Liter Saft“, sagt Bosch. Bei einem Literpreis von 65 Cent entspräche das einem Wert von 78 Euro. Der Saft wird gutgeschrieben und kann nach und nach abgeholt werden. Getauscht werden könne zudem in Birnen-Apfel-Most, „denn wir nehmen auch Birnen an“, ergänzt Bosch.

Bei der Mosterei Bayer in Esslingen ist die Unzufriedenheit über die Marktlage ähnlich groß. Wie viel es dort für die Äpfel gibt, konnte Rüdiger Bayer noch nicht sagen, man werde sich aber am aktuellen Tagespreis orientieren. Auch er bietet den Tausch gegen Most oder Saft an. Äpfel und Birnen dürfen von Montag 15. September an abgeben werden. Bayer rechnet aufgrund der guten Ernte zwar mit mehr Kundschaft, als im vergangenen Jahr, „doch bleibt es wohl übersichtlich“.