Nach vier Generationen und 111 Jahren schließt die Apotheke am Schillerplatz in Stuttgart-Vaihingen zum Jahresende ihre Pforten. Die Inhaberin Eva-Maria Steckkönig geht in den Ruhestand – freudig und traurig zugleich.

Vaihingen - Nach 111 Jahren ist Schluss. Die Apotheke am Schillerplatz wird zum 31. Dezember 2015 ihren Türen für immer schließen. Eva-Maria Steckkönig geht in den Ruhestand. Die 66-Jährige hat die Apotheke in vierter Generation betrieben. Da kein Nachfolger bereit steht, endet mit ihr die Tradition.

 

„Mein Urgroßvater Wilhelm von Ditterich hat die erste Apotheke auf den Fildern, die Mohrenapotheke in Möhringen, betrieben“, erzählt sie. Im Jahr 1904 baute er das Haus am Schillerplatz in Vaihingen und eröffnete dort eine Filiale – der Bedarf im damals rund 5000 Einwohner großen Vaihingen war groß. 1925 übernahm der Schwiegersohn von Ditterichs, Max Moest, diese als eigenständige Apotheke. Nachdem Vaihingen 1942 nach Stuttgart eingemeindet worden war, erhielt die Apotheke ihren Namensbeisatz „am Schillerplatz“.

Während der Kriegsjahre war es schwierig, Arzneimittel zu beschaffen. „Mein Großvater fuhr mit der Straßenbahn zu verschiedenen Depots. Was er dort ergatterte, packte er in einen Rucksack und schleppte es heim“, erzählt Steckkönig. Beim großen Luftangriff auf die Filder im April 1944 wurde das Gebäude schwer beschädigt. Während des Wiederaufbaus sei die Apotheke in einen angrenzenden, leer stehenden Friseursalon ausgelagert gewesen.

Salben in Butterbrotpapier verpackt

Auch in den Nachkriegsjahren sei es freilich weiter schwierig gewesen: Alles war knapp und Verpackungsmaterialien gab es auch nicht. „Die Leute sind mit allem Möglichen gekommen: Kaffeetassen, Schüsseln, Bierflaschen oder Butterbrotpapier, um ihre Salben darin zu transportieren“, erzählt Steckkönig. Bei all den Vorschriften und dem Qualitätsmanagement, das man nun einzuhalten habe, sei das „heutzutage gar nicht mehr vorstellbar, wie das früher war“.

Herbert Moest, der Vater von Eva-Maria-Steckkönig, übernahm die Apotheke 1955. Er war als einziger von drei Brüdern aus dem Krieg heimgekehrt. „Er hatte wohl keine große Wahl“, meint die Tochter. Für sie selbst hingegen sei es nie auch nur eine Frage gewesen, ob sie in seine Fußstapfen treten wolle. „Ich habe den Geruch in der Apotheke geliebt. Es gab nichts Schöneres für mich, hierher zu kommen, wenn mein Vater Sonntagsdienst hatte und Verkäuferles zu spielen“, erinnert sie sich. Zudem habe sie den Kundenkontakt stets als positiv miterlebt. „Das Gefühl, anderen helfen zu können, hat mir gefallen.“

Der Abschied ist emotional

Steckkönig studierte Pharmazie in Tübingen und übernahm die Apotheke 1992. Zum Jahresende wird die 66-Jährige in den Ruhestand gehen – froh und traurig zugleich. „Ich werde meine Kunden vermissen“, sagt sie. Einen Großteil kenne sie seit vielen Jahren; da sei der Abschied freilich emotional. Auf der anderen Seite freue sie sich auf die freie Zeit, die sie mit ihrem Partner und auch mit ihrem Sohn, der eine 18 Monate alte Tochter hat, zu verbringen gedenke. „Das kam in letzter Zeit zu kurz“, sagt sie. Auch wolle sie sich weiterbilden und womöglich wieder anfangen, Klavier zu spielen.

Dass mit ihr die Familientradition endet, damit ist Steckkönig im Reinen. „Aus der Familie gab es keinen Nachfolger. Und wenn es ein Fremder übernommen hätte, dann wäre es ja nicht mehr unsere Apotheke gewesen“, sagt sie.