Immer mehr Apotheken müssen schließen, so zum Beispiel jüngst in Stuttgart-Kaltental und Stuttgart-Vaihingen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Welche Rolle spielen dabei die gestiegenen gesetzlichen Anforderungen?

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Filder - Jeder Professor habe die Macht, seine Studenten durch die mündliche Prüfung fallen zu lassen. „Sie können nie alles wissen. Der Professor stellt Ihnen drei Fragen, die Sie nicht beantworten können, und Sie sind raus“, sagt ein Apotheker, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. So ähnlich sei es auch bei den routinemäßigen Kontrollen des Regierungspräsidiums in den Apotheken. Ein Pharmazierat könne immer etwas beanstanden, wenn er nur lange genug suche, und dann mit Daumen hoch oder Daumen runter über die Zukunft der Apotheke entscheiden.

 

Fakt ist, dass das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde die Apotheken routinemäßig gemäß Paragraf 64 des Arzneimittelgesetzes kontrolliert und dabei als ausführende Behörde die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen prüft. Bei erheblichen Mängeln hat der Apotheker zwei Möglichkeiten: Entweder er beseitigt diese binnen der vorgegebenen Frist, oder er verzichtet auf seine Betriebserlaubnis und schließt. Noch einmal gestiegen sind die Anforderungen mit der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012. Seitdem muss der Eingang barrierefrei sein. Geflieste Böden und Wände sind unzulässig, weil sich Fugen nicht so gut reinigen lassen. Der Apothekenleiter muss „ein Qualitätsmanagementsystem entsprechend Art und Umfang der pharmazeutischen Tätigkeiten betreiben“ und einen schriftlichen Hygieneplan aufstellen.

Manche Kunden schätzen die Apotheken vor Ort kaum noch wert

„Die Auflagen werden immer mehr. Ich fühle mich schon ein Stück weit gegängelt“, sagt Birgit Möhle-Sage. Die Inhaberin der „Apotheke am Bahnhof“ in Bernhausen ergänzt: „Viele der Vorschriften sind gerechtfertigt, manches ist aber auch an den Haaren herbeigezogen.“ Doch als Apotheker müsse man sich streng an die Buchstaben des Gesetzes halten, sonst drohe die Schließung. „Und das kann sich keiner leisten“, sagt Möhle-Sage. Mit der neuen Apothekenvertriebsordnung seien noch einmal etliche Vorschriften hinzu gekommen, die es vorher so nicht gegeben habe. „Auch ich musste damals investieren“, sagt die Bernhausener Apothekerin.

Das alles wäre nicht so schlimm, wenn die Apotheken noch entsprechende Umsätze erwirtschaften könnten. Doch die Gewinnmargen bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sind gesetzlich festgezurrt. In der Regel sind es 8,10 Euro. Bei freiverkäuflichen Medikamenten haben die Apotheker größere Spielräume. Zumindest theoretisch, praktisch jedoch konkurrieren sie mit dem Internet. Online-Apotheken bieten vieles günstiger an. Das können sie unter anderem deshalb, weil sie nicht die gleiche Infrastruktur wie niedergelassene Apotheken brauchen. „Von niedergelassenen Apotheken wird alles verlangt, von den Online-Apotheken gar nichts“, kritisiert Möhle-Sage. Viele Kunden würden die vielen Serviceleistungen, welche die Apotheke vor Ort erbringe, kaum noch wertschätzen. Die Beratung im Laden und der Apothekennotdienst seien da nur zwei Beispiele. „Manche Kunden sind sogar so dreist und bringen ihr im Internet bestelltes Medikament in die Apotheke und fragen, wie man es einnehmen muss“, sagt Möhle-Sage.

Das Berufsbild wird von vielen Paragrafen begleitet

Konstantinos Pitsioras ist mittlerweile im vierten Jahr der Inhaber der Waldau-Apotheke in Degerloch. „Als ich diese übernommen habe, musste ich viel ändern. Und zwar völlig zu recht.“ Er habe viel Zeit und Mühe investiert, um eine revisionsfähige Apotheke zu bekommen. „Das war mir aber von Anfang an klar“, sagt Pitsioras. Der neue barrierefreie Eingang habe Geld gekostet. „Aber er hat mir auch mehr Kundschaft gebracht“, sagt der Apotheker, dem seit einiger Zeit auch die Fortuna-Apotheke an der Löffelstraße gehört.

Richtig sei, dass es in Deutschland in vielen Bereichen eine Regulierungsflut gebe. „Das Berufsbild des Apothekers wird von vielen Paragrafen begleitet.“ Bezogen auf die Pharmazie seien 80 Prozent der gesetzlichen Vorgaben sicher in Ordnung. Schließlich habe der Kunde ein Recht auf ein sauber hergestelltes und ordnungsgemäß gelagertes Medikament. „Aber 20 Prozent der gesetzlichen Vorgaben sind vielleicht doch entschlackungswürdig“, sagt der Apotheker.

Besonders ärgert ihn, dass „mit zweierlei Maß gemessen wird“, sagt Pitsioras und meint damit die Online-Apotheken, die viel weniger müssten und viel mehr dürften. „Kein Paketdienst wird im Sommer die Temperatur im Transporter messen und sicherstellen, dass ein Medikament keiner zu großen Hitze ausgesetzt ist“, nennt er ein Beispiel.

Apotheker kritisiert Online-Handel und spricht vom „politischen Ausverkauf“

Der Möhringer Apotheker Volkhard Lechler sieht es ähnlich. Als er vor etwa zehn Jahren die Apotheke in Sonnenberg übernommen habe, habe er eine Neuzulassung beantragen und viel Geld investieren müssen, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. „Sonst hätte es mich auch erwischt“, sagt Lechler. Die meisten Vorschriften seien sinnvoll, manche seien etwas kleinlich. Das habe aber letztlich nichts mit dem Regierungspräsidium zu tun, denn die Behörde kontrolliere lediglich die Einhaltung der Gesetze, und von denen würden viele sowieso auf europäischer Ebene gemacht. Mittlerweile hat Lechler nur noch die Filderbahn-Apotheke in Möhringen. Die Filiale in Sonnenberg hat er im Herbst 2018 geschlossen. Das hatte aber nichts mit den Kontrollen des Regierungspräsidiums zu tun, wie er sagt.

Auch Lechler sieht das eigentliche Problem im zunehmenden Internet-Handel. „Im Vergleich zu den Schwierigkeiten, die uns da noch erwarten, sind die Kontrollen des RP Pipifax“, sagt Lechler. Er spricht in Bezug auf die Online-Apotheken von einem „politischen Ausverkauf“ und fordert Veränderungen.