Was können wir angesichts zunehmender Hitze in den Städten von arabischer Architektur lernen? Eine Schau des Vitra Design Museums verspricht Antworten.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart ist schon jetzt häufig eine heiße Stadt, in Zukunft wird sie es noch häufiger sein. Klimaexperten prognostizieren schon von 2030 an bis zu 70 Tage über 25 Grad Celsius jährlich; die Zahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad könnte sich gar von sieben auf 14 verdoppeln. Die Landeshauptstadt mit ihrer Kessellage mag vor besonderen Herausforderungen stehen – die Hitzefrage stellt sich freilich allen Städten im Land.

 

Vernakulare und moderne Strategien

Architektonische Lösungen, die das urbane Mikroklima verbessern, Häuser und Räume kühl halten, sind also gefragt. Hierfür dürfte ein Blick auf die Länder im Mittleren Osten und Nordafrika und deren sowohl seit Jahrhunderten wirksamen einheimischen wie auch auf moderne Technologien zurückgreifenden Strategien lohnen. Insofern trifft die Ausstellung „Hot Cities: Lessons from Arab Architecture“, die das Vitra Design Museum in seiner dem Haupthaus benachbarten kleineren Gallery eingerichtet hat, einen Nerv. Doch es ist vor allem eine Lektion, die das Publikum hier lernt: nämlich die, wie man eine solche Architekturschau besser nicht präsentiert.

Hohe Decken, schattige Innenhöfe

Von Ägypten bis Sansibar: Die Kuratoren Ahmed und Rashid Bin Shabib aus Dubai haben von schwerem, hellem Leinen umfangene Nischen für die zwanzig untersuchten Länder geschaffen und zum Karree aneinandergereiht – eine hübsche Gestaltungsidee, die von Beduinenzelten inspiriert ist und zugleich eine typische Hofsituation schafft. Ein Text führt knapp in die Architekturcharakteristika des jeweiligen Landes ein. Zu den bewährten ägyptischen Techniken zählen „hohe Decken, schattige Innenhöfe und Kühlungssysteme, die den Luftstrom nutzen“, liest man. Ganz unbekannt sind diese Kniffe nicht, durchweg alle arabischen Länder greifen auf sie zurück, wie die Lektüre sämtlicher – daher redundant wirkender – Einführungstexte bestätigt. Die Spezifika werden kurz erwähnt: In Sansibar etwa dient Korallenstein als bevorzugtes Baumaterial, weil es hervorragend isoliert; Fenster mit Holzgittern, sogenannte Mashrabiyas, helfen unter anderem im Irak, den Luftstrom zu verbessern und zu kühlen, dies gelingt auch mit auf Dächern errichteten Windtürmen.

Unmengen an Plänen, Aufsätzen, Fotos

So weit, so gut. Kartonschuber enthalten Informationen zu einzelnen Bauten und Projekten eines Landes – die Spanne reicht von Wohnhäusern über Moscheen und Museen bis zum Städtebau im großen Maßstab. Hier beginnt das Problem: Das ausgelegte Material ist im Rahmen eines Ausstellungsbesuchs nicht zu bewältigen. Die Boxen sind gefüllt mit auf Englisch oder Arabisch beschrifteten Architekturplänen, derart verkleinert, dass sie kaum lesbar sind. Ebenso enthalten, neben zahlreichen Fotos: wissenschaftliche Aufsätze in englischer Sprache, für deren Studium man mehrere Stunden bräuchte. Die Arbeit „Syria: Medieval Citadels Between East and West“ zählt mehr als 300 Seiten.

Lektionen? Bitte selbst erarbeiten!

Auf eine strukturierte, die Erkenntnisse griffig zusammenfassende, ihre Übertragbarkeit auf europäische Verhältnisse thematisierende Aufbereitung wurde verzichtet. Die „Lektionen“ muss sich die Besucherin mühsamst selbst erarbeiten – statt in einer Ausstellung wähnt man sich im Materiallager eines Architekturseminars. Daran ändern auch die in der Mitte des Raums präsentierten „Architekturmodelle“ nichts. Diese geben, aus Pappmaché von den Kuratoren gefertigt, zwar einen netten Farbklecks ab. Aber welche Bauten sie darstellen, wo sich diese befinden – selbst solche elementaren Angaben bleibt die enttäuschende Schau schuldig.

Hot Cities: Lessons from Arab Architecture: Vitra Design Museum Gallery, Weil am Rhein. Bis 5. November. Geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr.

Die neue Architektur-Schau auf dem Vitra-Campus

Ausstellung
Hot Cities: Lessons from Arab Architecture. Vitra Design Museum Gallery, Weil am Rhein. Bis 5. November. Geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr.