Bei der Weiterbildung sind Bosch und die IHK Region Stuttgart führend. Die Mitarbeiter werden auf die Arbeitswelt von morgen vorbereitet. Routinearbeiten übernehmen bereits Computer. Doch was bedeutet die vernetzte Fertigung konkret für Arbeitnehmer?

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Stuttgart - Industrie 4.0 ist längst in den Fabriken angekommen – doch was bedeutet die vernetzte Fertigung konkret für Arbeitnehmer? Bülent Cevran arbeitet seit 20 Jahren bei Bosch in Stuttgart-Feuerbach. Der gelernte Industriemechaniker ist einer von zwölf Absolventen des Lehrgangs zur „Fachkraft für Industrie 4.0“, den Bosch gemeinsam mit der Industrie und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart sowie Partnern aus Wissenschaft und Praxis entwickelt und als Pilotunternehmen erstmals ermöglicht hat.

 

Boschler Cevran ist als Schichtführer dafür zuständig, dass immer genügend Teile für die Fertigung an den Produktionslinien vorrätig sind. „Meine Arbeit hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt“, sagt er. Früher hat er die benötigten Teile mühsam von Hand ermittelt und zugeordnet, heute geht alles vollautomatisch. Dank moderner Technik wissen die Fahrer jederzeit, was im Vorratslager ist – und wann wo was benötigt wird. Die Regale für die Teile gleichen einem intelligenten Supermarkt mit Sensoren an den jeweiligen Fächern. „Durch den Lehrgang bin ich jetzt in der Lage, die Vernetzung innerhalb des Werks selbst mitzugestalten“, sagt Cevran. Als Mann der Praxis hat er schon etliche Ideen für Verbesserungen, die ihm die Arbeit erleichtern und Zeit für andere Tätigkeiten lassen. Das sogenannte RFID-Armband – zur berührungslosen Identifizierung von Teilen –, Tablet und Visualisierungsbord gehören bei ihm jetzt zum Arbeitsalltag.

Mitarbeiter werden auf die Arbeitswelt von morgen vorbereitet

Es gehe nicht darum, aus Produktions- und Logistikmitarbeitern IT-Spezialisten zu machen. „Doch nur wer die vernetzte Welt versteht, kann sie auch gestalten“, sagt Bosch-Personalchef Christoph Kübel. Man wolle die Mitarbeiter auf die Arbeitswelt von morgen vorbereiten und so Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 schaffen. Kübel sieht darin einen Erfolgsfaktor für Hochkostenstandorte wie Deutschland, weil man so die Wettbewerbsfähigkeit stärken und Beschäftigung sichern könne. Kübel erhofft sich davon Produktivitätsfortschritte von bis zu 25 Prozent pro Jahr statt von bislang fünf bis acht Prozent.

Doch Industrie 4.0 – also der digitale Wandel in der Fertigung – ist nicht nur eine technologische Entwicklung, sondern auch ein kultureller Wandel. Autonome Transportroboter reduzieren Laufwege, intelligente Maschinen und Software werden in Zukunft Routinearbeiten übernehmen, Menschen hingegen anspruchsvollere Tätigkeiten. Sie steuern Prozesse und bringen sich mit Kreativität ein. Lernen gewinnt immer mehr an Bedeutung. „Technische Lösungen sind nur die eine Seite der Medaille“, sagt Stefan Aßmann, Leiter der Geschäftseinheit Bosch Connected Industry, in der Bosch seine Industrie-4.0-Aktivitäten in den Bereichen Software und Services bündelt. Den Unterschied bei Industrie 4.0 machten die Mitarbeiter. „Ihre Fähigkeiten, situativ auf Probleme zu reagieren und neue kreative Lösungswege zu finden, rücken in der Fabrik der Zukunft in den Mittelpunkt“, sagt er.

Bosch investiert 2019 rund 250 Millionen Euro in Weiterbildung

Digitalisierung sei eine der größten Herausforderungen für die Betriebe, sagt der Stuttgarter IHK-Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl. Er ist überzeugt, dass viele andere Unternehmen von dem Weiterbildungsangebot zur Fachkraft Industrie 4.0 profitieren werden. „Investiert in die Köpfe“, sagt Schmalzl an die Adresse vieler kleiner Firmen. Viele hätten Nachholbedarf. Bosch hat in den vergangenen fünf Jahren rund eine Milliarde Euro in die Weiterbildung seiner Mitarbeiter gesteckt und will 2019 dafür erneut rund 250 Millionen Euro investieren. Derzeit bietet der Konzern rund 19 000 Schulungsprogramme an. Man wolle eine Lernkultur im Unternehmen etablieren, so Kübel.

Bei dem Lehrgang zur Fachkraft für Industrie 4.0 vermittle man neben technologischem Fachwissen auch neue Arbeitsmethoden wie agiles Arbeiten. Bosch ist Leitanwender und Leitanbieter von Industrie 4.0, weil das Unternehmen sowohl seine eigenen Werke digitalisiert und vernetzt als auch die seiner Kunden. Bis 2020 will Bosch dank des digitalen Wandels eine Milliarde Euro an eigenen Standorten einsparen und eine Milliarde Euro zusätzlichen Umsatz generieren.