Immer mehr Stellen im Land bleiben unbesetzt. Die Klagen über das Abwerben von Mitarbeitern nehmen zu.

Stuttgart - Auf dem Arbeitsmarkt werden Fachkräfte für den Bau immer knapper. Jetzt hat sich das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitssuchenden umgekehrt. Lag die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter bis April noch deutlich über der Zahl der offenen Stellen, so ist es seit Mai andersherum. Im Juli kamen auf bundesweit 17 000 offene Stellen nur noch 14 000 Arbeitslose, geht aus einem Positionspapier des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie hervor. In Baden-Württemberg war die Zahl der offenen Stellen im Juli erstmals höher als die der Arbeitslosen – genau 1994 Stellen verglichen mit 1860 Arbeitsuchenden.

 

Wolff & Müller würde 180 Fachkräfte einstellen

„Die Besetzung offener Stellen ist ein sehr zäher Prozess“, klagt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Zusammen mit den nicht offiziell gemeldeten Stellen schätzt Möller, dass im Südwesten 10 000 Fachkräfte sofort eingestellt werden könnten. Bereits seit einiger Zeit leidet die Bauwirtschaft nach eigenen Angaben darunter, dass Fachkräfte fehlen. Möller: „Da gibt es keine Entspannung.“

Das Stuttgarter Bauunternehmen Wolff & Müller würde nach den Worten des Geschäftsführenden Gesellschafters Albert Dürr sofort bundesweit 180 Fachkräfte einstellen, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt verfügbar wären; ein Drittel des Bedarfs bei Wolff & Müller entfällt auf den Großraum Stuttgart. Zum Vergleich: insgesamt beschäftigt das Unternehmen 2000 Menschen. Die Folge ist, dass die Stuttgarter bei neuen Aufträgen teilweise auf die Bremse treten. „Wir lehnen Aufträge ab“, sagte Wolff-&-Müller-Chef Dürr im Interview mit unserer Zeitung, „bei denen wir nicht sicher sind, dass wir das Projekt zum gewünschten Zeitpunkt abschließen können, weil wir zum Beispiel die erforderliche Mannschaft nicht stellen können.“

So viele Klagen über Abwerbeversuche wie noch nie

Möller bezeichnet das Geschäftsklima in der Branche als weiterhin gut; auch Wolff & Müller ist auf Wachstumskurs. Trotz der Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen steigt die Beschäftigung; gegenwärtig arbeiten im Südwesten etwa 105 000 Menschen in der Branche. Einschränkend sagte Möller jedoch: „Das Volumen, das abgearbeitet werden kann, ändert sich kaum, denn die Kapazitäten sind beschränkt. Die Projekte gehen durch einen Flaschenhals.“ Im Sommer haben bei einer Mitgliederbefragung des Verbandes 71 Prozent der Unternehmen über Fachkräftemangel geklagt.

Zunehmend, so heißt es, komme es zur Abwerbung von Arbeitskräften. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo hat im September im Rahmen seiner Konjunkturumfrage die Bauunternehmen auch nach speziellen Schwierigkeiten gefragt, die in den vergangenen sechs Monaten aufgetaucht sind. Ergebnis: 27 Prozent der Befragten nannten das Problem des Abwerbens von Arbeitskräften. „Das ist der höchste jemals gemessene Wert“, schreibt Ifo.