Laserstrahlen können Strukturen am Boden auch durch Wälder hindurch erkennen. Das kann zu sensationellen Entdeckungen führen – wie kürzlich im mittelamerikanischen Urwald. Auch hierzulande wird diese Technik intensiv genutzt.

Langenargen - Die Bilder der riesigen Siedlungsstätten der Maya im mittelamerikanischen Urwald gingen dieser Tage um die Welt: Wie die Forscher um den Archäologen Thomas Garrison vom Ithaka College im US-Bundesstaat New York berichteten, haben sie weit größere und dichter besiedelte Maya-Siedlungsbereiche gefunden als die bisher bekannten. So wurden in den untersuchten 2100 Quadratkilometern Dschungel in Guatemala die Überreste von mehr als 60 000 neuen Objekten – von Häusern, Palästen und anderen Bauwerken – entdeckt. Straßen haben die Stadtzentren und Steinbrüche verbunden, wie das US-Magazin „National Geographic“ berichtet, das die Arbeiten unterstützt hat. Komplexe Bewässerungs- und Terrassensysteme erlaubten intensiven Ackerbau, um die vielen Menschen zu ernähren.

 

Möglich wurden diese von der Fachwelt als Sensation gewerteten neuen Erkenntnisse durch ein lasergestütztes Messsystem namens Lidar (siehe Hintergrundkasten), mit dem vom Flugzeug aus der Boden abgescannt wird. Aus der Luft sieht man bekanntlich Dinge, die auch einem geschulten Auge am Boden nicht sofort auffallen: So wachsen zum Beispiel die Pflanzen auf einer Wiese über einer im Untergrund verborgenen Mauer niedriger als im unmittelbar benachbarten Boden, der feuchter und nährstoffreicher ist. Und wenn das Licht in den Abendstunden schräg einfällt, zeigen die Schattenwürfe selbst geringfügige Erhebungen und Vertiefungen an – was auf Wälle und Gräben hindeutet. So werden auch auf Luftbildern vorher unbekannte Strukturen sichtbar.

Minimale Unterschiede im Relief erkennbar

Seit etwa Anfang des Jahrtausends können sich die Archäologen zudem über die Lidar-Technik freuen. Auch dank der rasch voranschreitenden Computertechnik wurde sie in jüngster Zeit immer besser und hat damit ganz neue Erkenntnisse ermöglicht. Weil mit Lidar eine hochpräzise Entfernungsmessung möglich ist, lassen sich dreidimensionale Geländemodelle erstellen, in denen die Fundstellen als teilweise minimale Unterschiede im Relief erkennbar werden. Mehr noch: Mit der richtigen Software kann man die Effekte der über dem Boden befindlichen Vegetation herausrechnen – so dass auch in dicht bewaldeten Regionen ein bisher nicht gekannter Blick auf den Untergrund möglich wird. So werden Wall- und Befestigungsanlagen, Grabhügel, Straßen, Gebäudeumrisse und viele andere Hinweise auf eine frühere Besiedelung sichtbar.

„In Baden-Württemberg nähern wir uns der Grenze von einer Million Objekten, die wir mit Hilfe von Lidar kartiert haben“, berichtet Ralf Hesse vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen. Schon bald nachdem die Technik etabliert war, haben die Archäologen im Land zum einen gezielt Aufträge für Befliegungen zur Lidar-Kartierung erteilt – entlang der römischen Grenzbefestigung Limes zum Beispiel oder an den keltischen Anlagen rund um die Heuneburg bei Herbertingen. Zum anderen hat das Landesamt für Geoinformation und Landvermessung ganz Baden-Württemberg befliegen lassen. Die dabei gewonnenen Lidar-Daten wertet Ralf Hesse seit 2009 aus.

Dabei hat er unter anderem mehrere Tausend Grabhügel und etwa 30 000 Plätze mit ehemaligen Holzkohlemeilern entdeckt, dazu unzählige Dämme, die im Zuge von Bewässerungssystemen angelegt wurden. Besonders spannend war die Erkundung des mittelalterlichen Bewässerungssystems rund um das Kloster Maulbronn nach der Befliegung im Jahr 2014. Dabei ließen sich auch im Wald die ehemaligen Wassergräben genau erkennen. Interessante Ergebnisse dürfte auch die Befliegung der Region um den Rosenstein bei Heubach im Ostalbkreis erbringen, die in nächster Zeit geplant ist. Ziel der Archäologen sind vor allem die umfangreichen Befestigungsanlagen der dort gelegenen eisenzeitlichen Siedlung.

Mit der Lidar-Technik lassen sich auch Gewässer erkunden

Besonders im Wald kann die Lidar-Technik ihre Stärke ausspielen. Selbst bei dichterer Vegetation dringen immer wieder Laserimpulse bis zum Waldboden durch – vor allem auch, wenn sie vom Flugzeug aus schräg nach unten geschickt werden. Aus dem zurückgestrahltem Licht lassen sich wegen der kürzeren Laufzeit die Strahlen herausrechnen, die vom Kronendach sowie von Ästen und Blättern reflektiert wurden. So bleiben am Schluss nur diejenigen Strahlen übrig, die am längsten unterwegs sind, weil sie bis zum Boden gelangen. Dort kann man bei linearen Strukturen, beispielsweise Wege, noch Höhenunterschiede im Bereich von etwa zehn Zentimetern erkennen, wie Ralf Hesse berichtet. Bei runden Strukturen, etwa Grabhügeln, sind es ein paar Zentimeter mehr.

Weil Licht durch Wasser geht, lässt sich mit der Lidar-Technik auch die Flachwasserzone von Gewässern erkunden. Dies wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Tiefenschärfe“ im März 2014 am Bodensee durchgeführt. Technisch sei dies noch viel schwieriger als die Erkundung an Land, berichtet Martin Wessels, der am Institut für Seenforschung in Langenargen für die Durchführung des inzwischen abgeschlossenen Projekts zuständig war.

In Mittelamerika erhoffen sich die Forscher weitere Erkenntnisse

Auch für den Bereich der Uferzone lassen sich die Einflüsse der Bäume sowie der Unterwasserpflanzen herausrechnen. So haben die Wissenschaftler eine detailgenaue Abbildung der Flachwasserzone bis in eine Tiefe von fünf bis neun Metern erhalten. Und prompt entdeckten sie am Schweizer Ufer in der Nähe von Romanshorn Steinhügel, die vorher noch nicht bekannt waren. Diese ragen in fünf bis sieben Meter Wassertiefe etwa ein bis zwei Meter vom Seegrund empor und haben einen Durchmesser von zehn bis 30 Metern. „Wir sind überzeugt, dass es sich dabei um künstliche Strukturen handelt – zumindest spricht bis jetzt nichts dafür, dass diese Gebilde natürliche Ursachen haben könnten“, fasst Wessels den derzeitigen Kenntnisstand der Seenforscher zusammen.

Weltweit bringt also seit einigen Jahren die Lidar-Technik immer neue und spannende Erkenntnisse der Archäologen zutage. Auch in Mittelamerika erhoffen sich die Forscher noch viele weitere Einblicke in das Leben der Maya. Dazu aber müssen sie nun am Urwaldboden die mit Lidar-Hilfe gefundenen Strukturen erkunden. So wollen sie mehr über das sagenhafte Volk erfahren, das dort vor etwa 1200 Jahren gelebt hat, und zwar in beeindruckend großer Zahl: Statt höchstens fünf Millionen, wie bisher angenommen, könnten es durchaus mehr als zehn Millionen Menschen gewesen sein – und das in einem Gebiet, das etwa so groß war wie das heutige Italien.

Wie mit Laserstrahlen Geländemodelle erstellt werden

Technik: Light Detection and Ranging, kurz Lidar, heißt die Technik, mit der sich Landschaften sehr detailgenau vermessen lassen. Dieselbe Technik wird auch eingesetzt, um über größere Distanzen hinweg das Wetter zu erkunden. Ähnlich wie beim Radar wird mit Mikrowellen die Umgebung abgetastet – nur dass statt Radarwellen Laserlicht verwendet wird.

Reflexion:
Bei Messungen in der Atmosphäre werden die Laserimpulse von Teilchen in der Luft – beispielsweise Regentropfen, aber auch Spurengase wie Ozon oder Stickoxide – zurückgeworfen. Aus dem zurückgestreuten Licht lassen sich anschließend zahlreiche Informationen gewinnen. Bei Geländemessungen vom Flugzeug aus ist die äußerst genaue Abstandsmessung von Interesse, die sich aus der Laufzeit der Laserimpulse ergibt. So lassen sich auch sehr kleine Erhebungen am Boden nachweisen.

Geländemodelle:
Aus den Daten kann man dreidimensionale Geländemodelle errechnen. Die Technik wurde auch bei der Kartierung der Flachwasserzone des Bodensees angewandt – der grüne Laserstrahl dringt einige Meter tief ins Wasser. Die reflektierten Lichtsignale liefern Informationen über Strukturen am Seegrund sowie vom Menschen errichtete Bauten. Die Datenmenge ist riesig: Bei der Vermessung fielen sekündlich 500 000 Messwerte an.