Die Jury des begehrten Hugo-Häring-Architektur-Preises hat in den Landkreisen Esslingen und Göppingen sechs Gebäude prämiert. In dem Wettbewerb konkurrierten 35 Bauwerke.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Bei manchen Gebäuden ist die Entscheidung fast schon von vorneherein klar. Das Rathaus von Jesingen, ein unorganisches Gebilde mit gewöhnungsbedürftiger Farbe: Nein. Die Salzlagerhalle in Geislingen, elegante Stützen streben symmetrisch zum Dach: Ja. Bei manchen Gebäuden wurde von der Jury des Hugo-Häring-Preises bis zuletzt heftig debattiert, wie bei der Zentrale der Südwestmetall in Esslingen.

 

Der Hugo-Häring-Preis wird alle drei Jahre vergeben für herausragendes Bauen in Baden-Württemberg. Alle jetzt in diesem Verfahren prämierten Bauten, dem so genannten „kleinen Hugo“ kommen nächstes Jahr ins große landesweite Finale, den so genannten „großen Hugo“.

Eine Ochsentour von Gebäude zu Gebäude

Drei Architekten und zwei Laien prämierten am Freitag von 9 Uhr morgens bis 21 Uhr abends die Gebäude. Es war eine ziemliche Ochsentour. Warum tun sich das die Architekten an, die doch alle als Freiberufler nicht nur entwerfen und planen, sondern auch ihren Betrieb am Laufen halten müssen und rund um die Uhr Ansprechpartner sein für Handwerker, Bauleiter, Kunden und sonst noch wen?

„Genau deswegen“, sagt der Stuttgarter Architekt Giorgo Bottega, „dann sind wir mal einen Tag weg aus der Hektik.“ „Und wir können in den Gebäuden, die wir anschauen, viel lernen“, ergänzt der Architekt Bernd Liebel, aus Aalen. Den Vorsitz hat Nikolaus Kränzle ein honoriger Professor und Architekt aus Karlsruhe, der offensichtlich schon viele Prämierungen hinter sich hat und peinlich auf die Einhaltung der Regularien achtet.

Mal gut, mal weniger gut fotografiert, hängen 35 Arbeiten im Möbelhaus Behr in Wendlingen – von der Aussegnungshalle bis zum Flughafengebäude. In zwei Rundgängen wählt die Jury drei Stunden lang zehn Arbeiten aus, die es anschließend zu besichtigen gilt. Im gemieteten VW-Bus tingelt die Truppe durch die Kreise Esslingen und Göppingen, hält sich mit Apfelschorle und Wurstwecken aufrecht und übt sich im knapp siebenstündigen Rundkurs immer wieder in Selbstreflexion: Werde ich mich an diesen Innenraum erinnern können, oder ist er einfach nur gewöhnlich? Würde ich das Haus meinen Studenten zeigen wollen? Würde ich hier wohnen oder arbeiten wollen? Manche Bauten, wie etwa das neue Festo-Hochhaus befand die Jury zwar als durchaus guten Baukörper, aber eben nur Durchschnitt.

Als richtungsweisend beschreibt die Jury beispielsweise die drei Obdachlosenunterkünfte in Ostfildern-Ruit. Nicht, dass sie besonders gut aussehen würden, aber sie sind in der Herstellung billiger als Wohncontainer und lassen die Menschen menschenwürdig wohnen.

Die Leiterin der Kindertagesstätte Weckholder in Aichtal ist für alle Fragen offen. Die Wände sind karg und weiß, dahinter steckt ein pädagogisches Konzept, heißt es, denn die Wände sollen von den Kindern gestaltet werden. Sie kritisiert den fehlenden Sonnenschutz, der die Südfassade zu einem Backofen machen würde. Warum bekommt das Haus trotzdem den kleinen Hugo? „Weil die fehlenden Jalousien eine Kleinigkeit sind“, erklärt Giorgo Bottega. Mal sehen, ob das der Träger der Kita genauso sieht und für Abhilfe sorgt.

In Esslingen steckt die Jury mit dem Bus in einem Feldweg fest, in den ihn das Navi geführt hat. Mühsam wendet der Fahrer.

Vier Runden machen die Architekten

Die Bewohnerin eines Einfamilienhauses in Wiflingshausen fällt aus allen Wolken, als plötzlich eine Horde von älteren Männern im Vorgarten steht und ins Schlafzimmer gucken will. Schließlich erklärt sie sich doch bereit, die Jury einzulassen, mit Erfolg: das kleine, exakt auf die Bedürfnisse zweier Menschen zugeschnittene Wohnhaus mit Atelier und einem Kleiderschrank aus Sichtbeton, sowie einem Garten, den man gar nicht mehr verlassen will, bekommt den Preis.

Gegen 19.30 Uhr ist die Jury zurück in Wendlingen. In einer vierten Runde werden wieder Pläne gewälzt, um wirklich die besten Entwürfe zu finden. Beim Gebäude von Südwestmetall finden die Fachleute ästhetische Schwachpunkte, zu viele Kompromisse in der Ausführung, wie etwa Stützen, die wie Kanthölzer wirken. Schließlich fällt der Entwurf durch. Nach zwölf Stunden stehen die sechs Sieger fest. Es war eine Ochsentour, in der Tat. Aber die Architekten wissen, warum sie das tun: Um einer billigen, bis aufs Letzte ausgemosteten Massenarchitektur entgegen zu wirken, die Menschen und Städte zerstört.

Sieger: Prämiert wurden die Kreissparkasse Süßen von Tilman Schalk, der Hochschulneubau in Esslingen von Markus Neumann, die Geislinger Salzlagerhalle von Stefan Mang, die Obdachlosenunterkunft in Ostfildern von Camilo Hernandez, die Kita Weckholder in Aichtal von Christof Simon und ein Einfamilienhaus in Esslingen-Wiflingshausen von Dietmar Schneck.