Am 4. Oktober geht die Neuauflage der magischen Jugendserie „Pan Tau“ im Ersten auf Sendung. Die Titelfigur ist noch intakt – alles andere jedoch nicht wiederzuerkennen.

Stuttgart - Magische Momente hat die Prager Filmszene den Kindern der 70er Jahre beschert: Der Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ (1973) bleibt ein Dauerbrenner, „Der kleine Maulwurf“ (1957–2002) löste existenzielle Lebensfragen, und in „Pan Tau“ (1970–1978) zauberte ein stummer, verspielter Anzugträger als Verbündeter der Kinder mal Ordnung herbei, öfter aber Chaos, wenn er mit den Fingern über seine magische Melone strich.

 

Die Serie des Kinderbuchautors Ota Hofman und des Regisseurs Jindřich Polák spricht mit ihrem anarchischen Witz Kinder wie Erwachsene an, hat eine eigene Bild- und Klangsprache und klare Botschaften: In einer Folge stiehlt der Mann vom übertechnisierten Fundbüro Pan Taus Melone; doch die Kinder verteilen sich in der Stadt, verlieren das Auto des Diebes nicht aus den Augen und erwischen ihn schließlich gemeinschaftlich.

Eine typische Highschool-Serie

Die Münchner Filmproduzentin Gabriele M. Walther („Hausmeister Krause“, „Prinzessin Lillifee“) hat nun den Zuschlag für eine Neuauflage erhalten und für die ARD die Imitation einer angloamerikanischen Highschool-Serie realisiert, die in 14 Folgen typische Probleme pubertierender Jugendlicher thematisiert. Pan Tau fungiert als eine Art Deus ex Machina, der in der Not hilft. Der englische Comedian und Illusionskünstler verkörpert den schelmischen Gentleman mit fröhlicher Eleganz und knüpft genau da an, wo der Tscheche Otto Šimánek einst aufgehört hat. Die Titelfigur ist also intakt – alles andere aber nicht wiederzuerkennen.

Doppelepisoden widmen sich unterschiedlichen Schülerinnen und Schülern der Westpark-Schule. Mal versetzt Pan Tau Schwester und Bruder ins Szenario einer beliebten Fantasy-Buchreihe, wo sie als Prinzessin und Ritter auf die Realität zurückwirken und die Buchhandlung ihrer Mutter retten, mal sucht die neu ankommende Tochter eines Rockstars Freundinnen und gerät in ein Influencer-Drama um Clicks und wahre Freundschaft. Ein naturwissenschaftlich begabtes Mädchen entwickelt eine Hundeausführ-Drohne, wobei Pan Tau eine Badewanne fliegen lässt. Und ständig arbeitende Eltern müssen lernen, sich mehr um ihre vernachlässigten Söhne zu kümmern.

Verschwunden ist der Prager Chic

Das ist sympathisch, und die jungen Schauspieler haben sichtlich Spaß, auch wenn all das in jeder Highschool-Serie verhandelt werden könnte und doch sehr harmlos ist. Viel spannender wäre, wenn nicht der unangreifbare Zauberer viele Probleme – Schnipp! – weghexen würde, sondern die Kinder noch mehr selbst tun ließe. Mit Qualitätsserien wie „Stranger Things“ oder „Sex Education“ ist „Pan Tau“ gar nicht zu vergleichen: Subtext sucht man vergebens, eine horizontale Erzählung über die Staffel hinweg ist nicht zu erkennen. Die digitalen Zaubertricks immerhin zünden. Da mit britischen Darstellern auf Englisch gedreht wurde, um das Produkt international vermarkten zu können, ist die deutsche Fassung hör- und sichtbar synchronisiert.

Vom Original bleibt nur die Titelfigur. Verschwunden sind Hofmans feiner tschechischer Humor, Poláks Jacques-Tati-Anmutung, Pan Taus Verletzlichkeit, der Prager Chic, die schrägen Typen, der coole Jazz, die dramaturgische Filmmusik. Eine alte Folge erzählt in wenigen Minuten eine Robinsonade: Pan Tau spürt den verschollenen Sohn der Familie Urban auf einer einsamen Insel auf, wo er sich mit Leierkasten, Ziege und Wetterfrosch eingerichtet hat. Wenn Alfons aufs Meer schaut, ertönt fröhlicher Hawaii-Sound, wenn die See im Heimweh plötzlich zur Moldau wird, wechselt die Musik bruchlos in böhmisches Orchesterschwelgen.

Aus diesem sehr besonderen Kulturgut ist nun sehr beliebige Unterhaltung geworden. Das muss man erst mal schaffen.

Beginnend am 4. Oktober zeigt das Erste sonntags um 10.10 Uhr je eine Doppelfolge. Die Originalserie ist im Amazon Prime-Abo enthalten, für zehn Euro pro Staffel abrufbar und auf DVD zu haben.