Senta Berger und Cornelia Froboess spielen im ARD-Film „Almuth und Rita“ zwei ältere und sehr eigene Frauen – und das auf brillante Art und Weise.

Stuttgart - Sie ist herablassend, mürrisch und allergisch gegen gute Laune. „Da sinkt ja die Raumtemperatur, wenn sie reinkommen“, sagt die eher muntere Putzfrau Rita Ritter zu ihrer Dienstherrin Almuth Seegers, für die sie seit vielen Jahren arbeitet, ohne dass die sie je wahrnahm. Aber jetzt hat die Zahnärztin ihre Praxis an einen Nachfolger übergeben, „aus eigenen Stücken“, wie sie betont, und merkt, dass sie mit der vielen Zeit, über die sie plötzlich verfügt, gar nichts anfangen kann. Familie, Freunde, Hobbies – die Mittsechzigerin, die Senta Berger in der Tragikomödie „Almuth und Rita“ spielt, hat sich das Leben erfolgreich vom Leib gehalten, indem sie sich seit ihrer Scheidung vor 19 Jahren ausgiebig dem Beruf widmete, und ausschließlich Ehrgeiz und Disziplin in den Mittelpunkt stellte.Nun möchte sie „vieles nachholen, Bücher, Filme, Konzerte, Reisen, Golf spielen“, Geld hat sie genug, aber sie kann sich nicht daran freuen. Unbegreiflich und schrecklich undankbar findet das die respektlose Rita Ritter, dargestellt von Cornelia Froboess, die sich ihr kleines Glück auch unter widrigen Bedingungen einzurichten scheint. Und schon sind die beiden Damen in einen mehrtägigen Disput verstrickt, in dem ein Hund verloren geht, ein alter Freund auftaucht, eine Berghütte bereist und ein Auto zu Schrott gefahren wird.

 

Herrliche „grumpy old Women“

„Grumpy old Men“, mit dem deutschen Titel „Ein verrücktes Paar“ nur unzulänglich wiedergegeben, hieß 1993 ein amerikanischer Spielfilm, in dem Walter Matthau und Jack Lemmon vorführten, wie zwei garstige, eigenwillige alte Kerle sich ständig zanken und am Ende doch noch erkennen, dass sie zwar durch Welten getrennt sind, aber trotzdem voneinander profitieren können. Zwanzig Jahre später gibt es nun also im deutschen Fernsehen eine Art „Grumpy old Women“, und man darf das vielleicht schon als kleinen Fortschritt betrachten. Denn Almuth und Rita sind irgendwie jede für sich eine Zumutung, keine gütigen Omis oder flotte Best-Ager wie aus der Werbung, sondern kantige, zerknitterte, manchmal harsche, fordernde, schwer zu ertragende ältere Frauen, wie sie nun mal in Wirklichkeit ab und zu vorkommen. Aber das hat ja auch Gründe, und die werden in dem Film ein bisschen ausgeleuchtet. Almuths Kindheit mit einer strengen Kriegerwitwe, die sie jetzt einmal die Woche für eine Stunde in der Seniorenresidenz besucht, und zu der sie immer noch keine Nähe findet, obwohl und weil sie ihr längst ähnlicher ist als sie es sich wünscht. Und Ritas Heranwachsen bei Onkel und Tante in der DDR, nachdem beide Eltern jung gestorben sind, ihre frühe Ehe mit einem schlichten Mann, der nun zuhause auf dem Sofa in Jogginghosen den ganzen Tag Fernsehen schaut und auf sie wartet. So unterkühlt und kontrolliert die eine durch ihr großbürgerliche Münchner Existenz geistert, so scheinbar angstfrei und unbeherrscht trampelt die andere durch ihre überdekorierte Mietwohnung. Wie sehen sie beiden Charakterdarstellerinnen ihre Figuren, die sich miteinander fetzen, dass es eine Freude ist? „Die Frau hat sich einen Panzer zugelegt, unter dem es nur so kocht und brodelt“, hat Senta Berger über ihre Filmfigur gesagt, der sie eine überaus abschreckende pastellfarbene Vornehm- und Abgehobenheit verleiht. Und Cornelia Froboess erklärte zu der bunt gesträhnten, hemmungslos alle Widrigkeiten überpolternden, heimlich aber intensiv Tagebuch schreibenden Spreewälderin, die sie mit Herz und Schnauze verkörpert: „Die ‚reife’ Rita ist irgendwo ein Mädel geblieben mit Sehnsüchten, sentimental, aufrichtig, harmoniebedürftig“. Auf der Grundlage des Drehbuchs von Brigitte Blobel, die ungefähr im Alter ihrer Protagonistinnen ist, machen die beiden dann ein sehenswertes Fernsehstück aus dem Image- und Machtkampf zweier sehr unterschiedlichen Frauen, den sie glücklicherweise nicht als ziemlich beste Freundinnen beenden, aber doch mit einem Verständnis füreinander – und für sich selbst.

Senta Berger übrigens hat zur Geschichte von „Almuth und Rita“ noch eine ganz hübsche Anmerkung nachgeliefert. Ihre Mutter, erzählte sie, habe während ihrer Wiener Kindheit immer als Putzfrau – „man muss heute wohl Reinigungskraft sagen“ – bei vermögenden Leuten gearbeitet, und sich dort in vielen Fällen unentbehrlich gemacht, „nicht weil sie so toll Staub wischen konnte, sondern weil sie so lebensklug war und mit ihrem Mutterwitz helfen konnte und wollte“. Jetzt, wo sie so von ihr spreche, sagte die Grande Dame des deutschen Films, „bekomme ich wieder richtig Lust, die „Rita“ zu spielen, nächstes Mal…“. Der Freitagabend im Ersten hätte schon weniger spannende Experimente gesehen.

ARD, 20.15 Uhr