„Die Verteidigerin – Der Gesang des Raben“ ist ein außergewöhnlich leises ARD-Krimidrama mit zwei starken Protagonisten: Martina Gedeck als Anwältin, die einen Mordfall neu aufrollt, und – der Schwarzwald.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Wo ein Wolf durchs Unterholz schleicht, wo Nebelschwaden schwer auf tiefen Tälern lasten, wo der beste Freund des Menschen Raben sein können – da ist der Schwarzwald daheim, zumindest, wenn es nach dem Mythos geht. Auch wenn die Auftaktbilder des ARD-Thrillerdramas „Die Verteidigerin – Der Gesang des Raben“ mehr vom Klischee als von der Wirklichkeit dieser Region gespeist sein mögen: Selten wurde das Mittelgebirge im äußersten Südwesten der Republik so stimmungssatt in Szene gesetzt wie von der Regisseurin Mara Eibl-Eibesfeldt und ihrem Kameramann Holly Fink.

 

Ein zufälliger Leichenfund entlastet den Inhaftierten

Ein Autowrack mit einer Männerleiche wird aus einem Stausee gehievt, und zu Leonard Cohens Song „Avalanche“ stößt die Anwältin Anna Notrup hinterm Autolenkrad in die abgelegene Gegend vor. Der zufällige Leichenfund entlastet den seit fünf Jahren inhaftierten Samuel Brunner – einen jungen, impulsiven Schweinebauern, der damals gestand, den Vater seiner Freundin mit einem Stuhl erschlagen, zerkleinert und den Schweinen zum Fraß vorgeworfen zu haben. Die weitgehend intakte Leiche entlarvt diese monströse Erzählung als Lüge. Aber warum hat Samuel den Mord auf sich genommen? Was ist damals tatsächlich passiert?

Notrup will als Brunners Pflichtverteidigerin ein Wiederaufnahmeverfahren erwirken. Gespielt wird sie von Martina Gedeck. Für ihre titelgebende Hauptfigur hätte die Regisseurin und Co-Drehbuchautorin Mara Eibl-Eibesfeldt, die sich bislang mit Kurzfilmen und dem Familiendrama „Im Spinnwebhaus“ (2013) hervorgetan hat, keine geeignetere Darstellerin finden können.

Der Fremden schlägt Abweisung entgegen

Mit unerschütterlicher Ruhe und Selbstsicherheit tastet sich die erfahrene Juristin an den mysteriösen Fall heran. Sie ist, das wird von der ersten Kameraeinstellung deutlich, der Eindringling, der eine zusammengeschweißte Dorfgemeinschaft aufscheucht. Abweisung schlägt ihr entgegen, von Samuel Brunner (Gustav Schmidt) selbst – „Mir kann keiner helfen“ – , wie auch von Katharina (Vanessa Loibl), der Tochter des Opfers und Mutter von Samuels kleiner Tochter. Merkwürdig unbeteiligt gibt sich auch der Dorfpolizist Clemens Neumann (Jörg Witte), der sich nicht in der Lage sieht, die Vernehmungsakten beizubringen.

Eine Schwäche für Speiseeis

Diese Anwältin mit dem locker hochgesteckten Haar mag zwar eine Schwäche für zart schmelzendes Speiseeis haben, bei der Verfolgung ihrer Ziele aber bleibt sie eisern. Sie lässt sich von der Mauer des Schweigens, auf die sie trifft, nicht abhalten, nach der Wahrheit zu schürfen. Dabei fördert sie ungeheuerliche Schlampigkeiten der Polizei zutage, Ungereimtheiten und Vorverurteilungen. Sie bleibt auch dran, als jemand „Verpiss dich“ auf ihr Auto schmiert und sogar ihre Autobremsen manipuliert.

Als sie die Sabotage bemerkt, sitzen Notrups Sohn und Enkelin, die sie in der vermeintlichen Schwarzwald-Idylle kurz besucht haben, mit im Auto – bei der Fahrt ins Tal . . . Auch in einem solch dramatischen Moment kann die Regisseurin die stille Intensität von Gedecks Spiel auskosten. Die Schauspielerin macht die Hartnäckigkeit ihrer Figur, deren Zugewandtheit, den inneren Kompass, an dem sie all ihr Handeln auszurichten scheint, mit Blicken und subtilster Mimik greifbar.

Gedeck versetzt das Drama in Schwingungen

Es sind Gedecks Ausdrucksnuancen, die dieses außergewöhnlich leise Krimidrama in spannungssteigernde Schwingungen versetzen. Der Titelzusatz deutet an, dass man es womöglich mit dem Pilotfilm einer Reihe zu tun haben könnte. Martina Gedeck als „Die Verteidigerin“ würde man gern unbedingt näher kennenlernen.

Die Verteidigerin – Der Gesang des Raben: 25. Januar, 20.15 Uhr, ARD