Seit Jahresbeginn verzeichnet die Schwäbische Tafel 20 Prozent mehr Kunden. Bedürftige können in den Tafelläden vergünstigt Waren einkaufen. Immer mehr Menschen leben am Existenzminimum.

Bad Cannstatt - Auf Initiative von Diakoniepfarrer Martin Fritz wurde 1996 der Verein Schwäbische Tafel Stuttgart ins Leben gerufen. Ziel ist es, ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft zu setzen, der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken und bedürftige Menschen dadurch mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen. Der Bedarf ist mehr denn je gegeben. Denn Edgar Heimerdinger, der Vorstandsvorsitzende des Vereins, verzeichnet seit Jahresbeginn 20 Prozent mehr Kunden. „Ich weiß nicht, woran das liegt.“

 

Brot vom Vortag, Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald ansteht, Obst und Gemüse, die in „normalen“ Läden aus optischen Gründen nicht mehr angeboten werden, finden in der Schwäbischen Tafel dankend Abnehmer. Denn immer mehr Menschen leben am oder unterm finanziellen Limit, müssen mit dem zur Verfügung stehenden Geld haushalten oder kommen damit einfach nicht aus. Laut Schwäbischer Tafel leben in und um Stuttgart 66 000 Menschen am Rande des Existenzminimums. Das Besondere an dieser Form der Tafel war und ist auch heute noch die Ladenidee: Der bedürftige Mensch soll auch mit seinen geringen finanziellen Mitteln im Tafelladen selbst entscheiden können, was er einkaufen möchte. Er soll Kunde sein und nicht Almosenempfänger. Gleichzeitig wird langzeitarbeitslosen Menschen durch die Mithilfe im Tafelladen eine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit gegeben. Vier Läden betreibt die Schwäbische Tafel in Stuttgart: den Leonhardsladen am Österreichischen Platz, die Bad Cannstatter Tafel in der Brückenstraße, den Möhringer Tafelladen und die Fellbacher Tafel in der Wernerstraße.

Nachweis der Bedürftigkeit

Berechtigt zum Einkauf in den Tafelläden sind alle bedürftigen Menschen, Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger ebenso Menschen mit zu geringer Rente oder zu geringem Bafög. Für den Nachweis der Hilfebedürftigkeit genügt der jeweilige Leistungs- oder Einkommensnachweis, geprüft wird vor Ort in den Tafelläden. Die Vorlage der Bonuscard der Stadt Stuttgart in Verbindung mit einem Lichtbildausweis berechtigt ebenfalls zum Einkauf bei der Schwäbischen Tafel Stuttgart, die sogar Kundenkarten ausstellt, mit denen in allen Tafelläden eingekauft werden kann. In den Regalen liegen gespendete Waren, die von den Mitarbeitern der Tafel – Ehrenamtliche, Ein-Euro-Jobber, Praktikanten, Sozialstundenableister, ein paar Hauptamtliche – mehrmals täglich gefüllt werden.

Laden platzt aus allen Nähten

Dazu müssen die Kunden den Laden aber verlassen. In der Brückenstraße fehlt einfach der Platz. „Der Laden samt Vorraum ist so eng, da würde das Auffüllen sonst gar nicht gehen“, beschreibt Heimerdinger. Es gehe auch um die Sicherheit. Die Kunden müssen in der Zeit – Ware wird in der Regel zwei Mal am Tag geliefert – vor der Türe warten, direkt an der Straße. „Das ist bei Nässe und Kälte natürlich nicht angenehm, lässt sich aber nicht vermeiden.“ Heimerdinger kann den Unmut der Kunden verstehen. Aber die Maßnahme sei ja nicht gegen, sondern für die Menschen, die einkaufen. „Sie bekommen ja dann frische Waren.“ Gerne würde Heimerdinger einen größeren Laden anmieten. „Bei der derzeitigen Wohnungssituation in Stuttgart ist das utopisch.“ Und der Standort in der Brückenstraße sei wegen der guten Erreichbarkeit – Bus- und Stadtbahnhaltestelle sind quasi vor der Tür – fast optimal, abgesehen von der Größe des Ladens eben.

Stefan Spatz, der Leiter des Sozialamts, begründet die starke Frequenz der Tafelläden mit dem immer noch wachsenden Bekanntheitsgrad und der guten „Mundpropaganda“. „Wir informieren zum Beispiel im Kontext mit der Ausgabe der Bonuscard.“ Zudem seien die Zuwächse bei den Leistungsberechtigten im Bereich Sozialhilfe und Hartz-IV-Leistungen deutlich geringer. Das heißt, es gibt weniger Unterstützung für Bedürftige, die dann auf die Tafelläden angewiesen sind.