Erst bricht vor dem Wettkampf der Schlagbolzen am Gewehr, dann folgt ein Treppensturz – und am Ende macht das Biathon-Ass Arnd Peiffer das Sprint-Rennen seines Lebens.

Pyeongchang - Die deutschen Biathleten wissen, wie man Erfolge feiert – sie haben ja genügend Übung. Nach der Flower Ceremony versammelten sich alle Athleten, Trainer und Betreuer neben dem Podest, fingen Arnd Peiffer ab. Einer nach dem anderen fiel dem Sensations-Olympiasieger um den Hals, drückte und gratulierte ihm. Dann wurde der 30-Jährige auf ein paar Schultern gehoben, der Männerchor sang „So sehen Sieger aus“. Dass Peiffer („Das alles ist sehr bewegend“) eher aussah, als hätte er noch gar nicht begriffen, was soeben passiert war, störte niemanden. Einer der größten Jubler war Erik Lesser. „Mein Zimmerkollege holt Gold, das ist phänomenal“, sagte er, „wir haben gezeigt, dass Team D doch nicht für Team Dahlmeier steht, sondern für Team Deutschland.“

 

Und noch einen Beweis trat Peiffer in diesem bitterkalten und windigen Rennen in Pyeongchang an: dass es Tage gibt, an denen einen gar nichts umhaut. Nicht die äußeren Bedingungen. Und auch nicht sonstige Umstände. Eine halbe Stunde vor dem Anschießen war dem Sprintweltmeister von 2011 aufgrund der Kälte der Schlagbolzen gebrochen, sein Gewehr musste repariert werden. Und dann fiel er auch noch vor der Wachskabine die Treppe hinunter, prellte sich den Ellenbogen. „Eigentlich war heute nicht mein Tag – allerdings nur bis zum Rennen“, meinte Peiffer (Clausthal-Zellerfeld), nachdem er als einer von nur drei Athleten ohne Fehler geblieben war, „der Wind war ein Vorteil für mich. Ich wusste: Wenn ich gut schieße, mache ich auch ein gutes Ergebnis.“ Mit dem Sieg aber hatte er nicht gerechnet.

Fourcade und Bö dominierten diesen Winter

Schließlich laufen die Rennen in dieser Saison meist ziemlich gleich ab: Vorne kämpfen Martin Fourcade, der in allen Rennen auf dem Podest stand, und Johannes Thingnes Bö (acht Saisonerfolge) um den Sieg, die anderen noch um Rang drei. „Die beiden dominieren diesen Winter im Schießen und im Laufen“, sagte Peiffer, „ich hätte nie gedacht, dass ich vor ihnen sein kann. Und ich weiß auch immer noch nicht, wie das passieren konnte.“ Ganz einfach: Der Franzose schoss drei Fehler, der Norweger sogar vier Nieten. Und trotzdem hatte Peiffer lange nicht an seinen Sieg geglaubt. „Im Ziel wusste ich, dass ich einen guten Job gemacht habe und unter die besten sechs kommen werde“, meinte er nach seinem Triumph vor dem ebenfalls fehlerfreien Tschechen Michal Krcmar (+ 4,4 Sekunden) und dem Italiener Dominik Windisch (1/+ 7,7), „weil es aber im Feld viele bessere Läufer gibt als mich, war ich schon überrascht, dass am Ende keiner schneller war.“ Und somit auch niemand eine bessere Ausgangsposition für die Verfolgung hat.

An diesem Montag (13 Uhr/MEZ) geht Peiffer mit der Nummer eins ins Rennen, Druck bedeutet das aber nicht für ihn. Im Gegenteil. Er hatte sich fest vorgenommen, im Falle eines Sprinterfolgs bei einem Großereignis nicht gleich an die Verfolgung zu denken – sondern die Feste zu feiern, wie sie fallen. „Ich werde ganz sicher mit den Trainern und Technikern ein Bier trinken“, sagte er am Sonntagabend, bevor er zur Dopingprobe musste, „an die Verfolgung denke ich erst am Montag. Mit 30 Jahren habe ich genug Erfahrung, um zu wissen, was ich mir erlauben kann.“

Simon Schempp auf Platz sieben

Doch nicht nur Peiffer liegt vor dem zweiten olympischen Rennen an aussichtsreicher Position – sondern auch die drei anderen Deutschen. „Wir haben eine tolle Mannschaftsleistung abgeliefert“, lobte Mark Kirchner nach dem besten Ergebnis der gesamten Saison. Doch zugleich ärgerte sich der Cheftrainer auch ein bisschen. Weil noch mehr drin gewesen wäre. Sprintweltmeister Benedikt Doll (6.) und Erik Lesser (11.) hatten erst den letzten Schuss daneben gesetzt, und auch Simon Schempp (7.) leistete sich nur eine Fahrkarte. „Wir haben gesagt, dass wir uns unsere besten Ergebnisse für den Höhepunkt aufheben“, meinte Kirchner, dessen Schützlinge in dieser Saison noch nicht richtig in Schuss gekommen waren, mit einem schelmischen Grinsen, „aber dass es dann so ausgeht, ist einmalig.“

Auch die Teamkollegen freuten sich mit dem Olympiasieger. „Er hat ein unglaublich gutes Rennen gemacht“, meinte Schempp, der angesichts seiner Rückenprobleme auch mit sich selbst zufrieden war: „Ich bin zwar noch nicht bei 100 Prozent, habe aber große Fortschritte gemacht. Bei Olympia so ein Teamergebnis zu schaffen ist unglaublich. Jetzt wollen wir auch in der Verfolgung angreifen.“ Um danach den nächsten Erfolg zu feiern? Ausgeschlossen ist es nicht. Schließlich haben die deutschen Biathleten nun ja auch in Pyeongchang schon genügend geübt.