Die Deutsche Bahn prüft eine milliardenschwere Übernahme des britischen Verkehrskonzerns Arriva. In Koalitionskreisen stößt dies auf Kritik.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)
Berlin - Die Deutsche Bahn prüft eine milliardenschwere Übernahme des britischen Verkehrskonzerns Arriva. In einer Pflichtmitteilung für die Londoner Börse teilte der deutsche Konzern mit, dass man sich wegen eines möglichen Übernahmeangebots an Arriva gewandt habe. Die Gespräche zwischen den beiden Konzernen dauerten an. Man prüfe ein Barangebot, es sei aber ungewiss, ob man es vorlege, hieß es vage. Der deutsche Verkehrskonzern hat für die Übernahmepläne bereits die Investmentbank Lazard eingeschaltet. Arriva ist an der Börse derzeit rund 1,4 Milliarden Pfund (rund 1,55 Milliarden Euro) wert. Die Aktien sind breitgestreut.

Für ein erfolgreiches Übernahmeangebot an alle Aktionäre müsste die Deutsche Bahn inklusive Aufschlag rund zwei Milliarden Euro hinblättern, sagten Börsenexperten der Stuttgarter Zeitung. Der britische Verkehrskonzern setzt mit 44.000 Mitarbeitern sowie 15.000 Bussen und Bahnen in zwölf Ländern jährlich rund drei Milliarden Pfund um. In Koalitionskreisen stößt das Vorhaben der Deutschen Bahn auf Kritik. "Das ist keine gute Idee - die Bahn sollte erst mal ihre eigenen Probleme beseitigen", heißt es dort. Mit den Briten würde die verschuldete Bahn einen ebenfalls hochverschuldeten Konkurrenten übernehmen. Die Briten haben einen Kreditberg von 988 Millionen Pfund aufgehäuft, das sind mehr als eine Milliarde Euro und damit fast ein Drittel des jährlichen Konzernumsatzes. Nicht nur deshalb stoßen die deutschen Pläne auf Skepsis.

Schon der frühere Bahn-Chef Hartmut Mehdorn hatte zahlreiche ausländische Konkurrenten übernommen und dafür viel Geld gezahlt. Die Expansionsstrategie ging bisher jedoch nur teilweise auf. Neben anderen Problemen hinterließ Mehdorn einen großen Schuldenberg von rund 16 Milliarden Euro. Nachfolger Rüdiger Grube bezeichnete den Abbau der Milliardenschulden bereits mehrfach als eine der vordringlichen Aufgaben für die Bahn. Experten halten es daher für fragwürdig und widersprüchlich, wenn der Konzern mit einer weiteren teuren Übernahme die finanziellen Belastungen nun weiter erhöhen würde. "Das ergäbe wenig Sinn", heißt es in Gewerkschaftskreisen.

Die Bahn müsste zwei Milliarden Euro zahlen


Auch in Koalitionskreisen stoßen die Beteiligungsgerüchte auf Kopfschütteln, besonders aufseiten der FDP. "Die Beteiligung eines Staatskonzerns an einem der größten privaten Konkurrenten ist ordnungs- und wettbewerbspolitisch keine gute Idee", heißt es dort. Arriva würde dadurch faktisch verstaatlicht, außerdem bekäme die Bahn Einfluss auf einen ihrer größten Konkurrenten, wird gewarnt.

Arriva setzte in Deutschland im vergangenen Jahr rund 450 Millionen Euro um. Erklärtes Ziel des Konzerns ist, die Nummer eins im Regional- und Nahverkehr zu werden, wo der Exmonopolist Bahn seit Jahren Aufträge an private und kommunale Anbieter verliert. Arriva hat sich besonders in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Ostdeutschland eine starke Position aufgebaut.

Die Einstiegspläne der Bahn werden die Wettbewerbshüter deshalb genau beobachten. Die Bahn müsste wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung in Deutschland damit rechnen, dass man die hiesigen Bahn- und Buslinien von Arriva an andere Betreiber abgeben müsste. Im Ausland dagegen würde die Allianz wohl durchgewinkt, obwohl die Bahn auch in England bereits durch die Übernahme von Chiltern Railways und der Güterbahn EWS stark vertreten ist. Erklärtes Ziel der Deutschen Bahn bleibt, besonders in der Logistik und im Regionalverkehr im Ausland zu wachsen. Dadurch sollen Auftragsverluste im Inland ausgeglichen werden.