Shop, Skateteam und eigene Marke: Mehr Skateboard-Leidenschaft als im Arrow & Beast am Hans-im-Glück-Brunnen geht fast gar nicht. Yaw Kyeremeh über seinen Shop, die Faszination Skateboarding und wie man damit fürs Leben lernt.

Stuttgart - Ein Freitagnachmittag im Februar in seiner ganzen grauen Pracht. Der Hans-im-Glück-Brunnen faulenzt verlassen herum zwischen nahrhaftem Mittagstisch und der Abendunterhaltung in Flüssigform. Drei Kinder spielen Fußball. Treffpunkt Skateboard-Shop Arrow & Beast, nach dem Abgang des Trachtenladens der letzte Einzelhandel am Platz, eingeklemmt zwischen Kottan, Platzhirsch, Mrs. Jones, Deli, Bergamo, Rubens und Co.

 


Arrow & Beast Store Manager Yaw Kyeremeh, der auch das eigene Label Smile SB betreibt, begrüßt mit den Worten, dass man ein paar Minuten zu spät sei, sonst hätte man einen kleinen Trubel beobachten können. Irgendwo wurden online neue Teile des weit über die Skaterszene hinaus begehrten In-Labels Palace angekündigt. Der Arrow & Beast ist einer von zwei Läden überhaupt in Deutschland, die von Palace beliefert werden und die Fan-Boys machten sich nach dem Post schnell auf den Weg zum Brunnen. Vielleicht ist ja doch schon was da? Und könnte man mal den Lieferschein sehen (!), was der Laden bestellt hat? (Nein). Prompt sind die die ersten Gesprächsthemen Verkaufspolitik, Markenwahn, Informationsgeilheit, Hypes und Aufmerksamkeitsökonomie. „Manche Eltern sind genauso gut informiert wie ihre Kinder“, berichtet Yaw. Darauf erst mal einen Kaffee aus dem Kottan.

Ein Treffpunkt für Skateboarder

Auch wenn Yaw, trotz des mächtigen Kaffee-Angebots in seiner Hood, selbst gar keinen Kaffee trinkt, fühle man sich sehr wohl in der Ecke, sagt er. Man verstehe sich sehr gut mit Bars links und rechts. Ab und zu schaue zum Beispiel auch mal ein Gast vom Deli gegenüber rein, „weil er den Laden interessant findet.“ Gerade natürlich im Sommer ist die Atmosphäre toll, logo. Quasi als Zeichen der guten Nachbarschaft gleitet just während des Gesprächs Yusuf Oksaz, Betreiber unter anderem vom Mrs. Jones sowie leidenschaftlicher Auto-Liebhaber und -Sammler, auf einem Fahrrad vorbei ("Feinstaubalarm, Jonger"), grüßt freundlich, bleibt stehen, hält während des Small Talks die Balance in Perfektion, ohne auch nur einen Fuß vom Pedal abzusetzen („ehemaliger BMX-Fahrer, Jonger"). Ja, es ist gut hier.

Mit der Eröffnung im Mai 2010 von Oliver Merkelbach, Jascha Muller und Senol Maier (letzterer ist zwischenzeitlich ausgestiegen), schloss der Arrow & Beast eine Lücke in der lokalen Rollsportfraktion. „Die Stadt hatte Bedarf für einen Core-Skateshop, ein Ort, an dem sich Skater wohlfühlen und sich mit anderen Skateboardern in der Stadt treffen können.“ Ein Core-Skate-Shop (abgeleitet von hardcore) konzentriert sich auf die Szene und bietet die komplette Skateboard-Hardware wie Decks, Achsen, Rollen und weiteres Zubehör wie Schrauben. „Es ist mir wichtig, dass wir bei Hardware bis zur Unterlegscheibe immer alles da haben“, sagt Yaw.

Die Masse kann man bewusst nicht bedienen

Der Arrow & Beast führt keine Frauen- und Kindersachen, auch keine Longboards. Man kann bewusst die Masse gar nicht bedienen. Die Kunden steuern den Shop gezielt an und sind im Thema Skateboarding drin. „Bei uns wird’s erst interessant, wenn du ein paar Mal fährst und dran bleibst.“ Der Arrow & Beast möchte als kleiner Store den Skateboard-Lifestyle vermitteln. „Es ist unser Ziel, eine Bereicherung für die lokale Szene zu sein.“

Allerdings betont Yaw, dass allein von den Skate-Kunden kein Skate-Laden mehr leben könnte, wie zum Beispiel noch in den 90ern die legendäre Skatebox in der Silberburgstraße, einer der wichtigsten Skater-Treffs ihrer Zeit. Mit der vergleicht man den Arrow & Beast ab und an („Das ist natürlich schmeichelnd“). Dort roch es intensiv nach frischem Holz aus Kanada, aus dem die Decks seit Jahrzehnten hergestellt werden. Die Betreiber montierten gefühlt im Akkord die Skateboards für die lechzende Kundschaft. Auf dem Boden stapelten sich Schuhkartons und eine Stange Klamotten rundete das karge Sortiment ab.

Das beste Shop-Team in Europa

Der Arrow & Beast ist eine stylische Fashion-Boutique (man renovierte vor nicht allzu langer Zeit), die neben der Skate-Ausstattung ein übersichtliches Sortiment an Schuhen, Shirts, Pullis oder Hosen führt, darunter als USP Produkte von besonderen Labels – wie zum Beispiel eben Palace. Ohne besondere Ware hätte man ja sonst keine Chance gegen die großen Ketten und den Onlinehandel, erklärt Yaw. Zu weiteren Arrow & Beast Identitätsstiftung tragen die Verkäufer, allesamt selbst Skater bei. Yaw ist es wichtig, dass junge Leute den Laden repräsentieren. Seine Mitarbeiter fahren mitunter auch für das Arrow & Beast Skate-Team, laut dem Storeleiter wahrscheinlich eines der besten Shop-Teams in Europa, omnipräsent in unzähligen Skate-Clips. „Ich bin immer so hart geflasht, wenn ich die Jungs skaten sehe. Ein Highlight war definitiv die Teilnahme bei der Skate Copa (eine weltweite Contestreihe) in LA.“

Junge Leute, gutes Stichwort. In den frühen 90ern war für blutjunge Individualisten Skateboarding die willkommene wie ultracoole Alternative zum traditionellen Fuß- oder Handballverein. Für Hobby-Skater war Tony Hawk der echte Weltmeister und Klinsi schaute nur von der Ersatzbank aus zu. Aber ist in Zeiten von Smartphones, Online-Gaming, eSport-Events, Youtube-Stars und so weiter der zwischenzeitliche „Oldschool-Sport“ Skateboarding beim Nachwuchs überhaupt noch angesagt?

In Stuttgart gibt es eine gute Szene

„Es fangen jedes Jahr sehr viele Kids an zu skaten“, weiß Yaw. Die Frage sei eher, ob sie dabei bleiben. Immerhin ist Skateboarding mit seinen unzähligen Trick-Variationen kein leichter Sport. Bis sich die ersten Erfolge einstellen, kann es Monate dauern, kann einen schnell der Frust packen und die Lust verlassen, wenn man nichts mehr neues dazu lernt und, blöd gesagt, dauernd auf die Schnauze fällt. Der Vorteil wäre in Stuttgart aber, dass es eine gute Szene gibt und gute Skatehallen und Parks, um andere Skateboarder zu treffen. Und die wären voll, meint Yaw, auch mit sehr jungen Menschen. „Die Jugend ist gar nicht so online von sich eingenommen.“

Außerdem sei, davon profitiert auch der Arrow & Beast, Skateboarding längst Bestandteil der modernen Lifestyle-Popkultur. Luxusmarken machen Kooperationen mit Skate-Labels oder huldigen das Deck im Schaufenster, Popsocialstar Justin Bieber fährt Skateboard („gar nicht so schlecht“) genauso wie Rapper Lil Wayne („gar nicht schlecht“) und es ist unnötig zu erwähnen, dass die Stars ihre Skater-Kunst auf allen Kanälen mitteilen müssen. Auch darüber käme jetzt der Nachwuchs. Und ein Coolheitsfaktor wäre Skateboarding auch heute noch.

Skateboarding verbindet

Im Arrow & Beast wird der Skate-Lifestyle gelebt, dazu gehört auch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl. Kundschaft und Mitarbeiter kennen sich scheinbar alle, zumindest am Laufe dieses Nachmittags und klatschen freundlich ab. Manche kommen nur kurz vorbei, Lage checken, Small Talk, neuen Stuff begutachten. „Guck mal da oben“, meint einer und deutet noch von außen in Richtung Schuhwand, „das ist glaub' etwas krasses.“ Oder sie brauchen noch ein Ersatzteil, bevor es zur nächsten Session geht.

Wie sieht die Session-Frequenz bei Yaw aus? Leider nicht mehr so oft, einmal die Woche sei sein Ziel, „auch wenn es nur die Reinsburgstraße runter ist.“ Er betont aber wie wichtig Skateboarding für ihn sei und wie es ihm „alle Street Smarts“ beigebracht habe. „Man lernt sich selber zu pushen und weiter zu machen, auch wenn es weh tut. Und ich habe sehr viele gute Freunde darüber kennengelernt.“ Skateboarding verbindet. Das war schon immer so. Und in Stuttgart im und am Arrow & Beast Shop beim Hans im Glück-Brunnen besonders.

Arrow & Beast: Geißstr. 10, www.arrowandbeast.com.