Bei den Sammlern scheint das Geld locker zu sitzen. Wir haben aber etwas genauer hingeschaut bei der Kunstmesse Art Karlsruhe.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Auch wenn gern gejammert wird – so übel kann das Leben hierzulande nicht sein. Das zumindest lassen die Themen vermuten, die Künstlerinnen und Künstler derzeit umtreiben: Menschen am Strand. Frauen beim Shoppen in New York. Hier wurde eine pralle Himbeere in Szene gesetzt, dort findet sich auf einem Leuchtkasten die Speisekarte einer Imbissbude. Und wer gute Laune braucht, dem sei das XXXL-Shirt aus Lindenholz empfohlen, von dem einen ein Smiley fröhlich anlacht.

 

Aktuelle Themen sind die Ausnahme

Auf der Art Karlsruhe kann man eintauchen in eine unbeschwerte, heile Welt. Nach diversen Verschiebungen findet die Kunstmesse endlich wieder statt, und man kann bis Sonntag wieder durch die schönen Messehallen schlendern oder es sich im Grünen zwischen Food-Trucks und Skulpturen gemütlich machen. Auch wenn der Blumenschmuck nicht mehr gar so üppig ausgefallen ist wie in früheren Jahren, wirkt die Messe wie eine Insel der Seligen. Nichts, das an die aktuellen Krisen dieser Welt erinnert. Themen wie Krieg und Umweltzerstörung findet man bei den Werken so wenig wie radikale neue Kunstformen. Denn die Art Karlsruhe will vor allem Lust auf Kunst machen. So betont der Messechef Ewald Karl Schrade denn auch, dass die Kunstmesse in Karlsruhe viel biete, was „im Eigenheim sehr bereichernd“ sein könne.

Erste Erfolgsmeldungen von der VIP-Preview

Mehr als 200 Galerien sind angereist, die meisten sind Stammgäste – wie die große Fraktion aus Stuttgart: Die Galerie Valentien hat Neue Sachlichkeit im Angebot, Abtart zeigt Marc Feltens knallige Mensch-Tier-Wesen in Lack. Marko Schacher hat schon während der VIP-Preview ein Werk von Shalva Gelitashvili verkauft, der auf alten Fensterflügeln malt. Auch Thomas Fuchs ist mehr als positiv gestimmt und kann in der ersten Stunde gleich mehrere rote Punkte kleben.

Sogar ein Werk von Gerhard Richter ist im Angebot

Die Sammlerinnen und Sammler scheinen also treu geblieben zu sein und das vertraute Bild dieser 19. Art Karlsruhe abzurunden. Der Hype um den hoffnungslos überschätzten Leon Löwentraut geht weiter, die bunten Kringel des 24-Jährigen werden inzwischen für Preise um die 50 000 Euro angeboten. Eine eher beiläufige Zeichnung von Kirchner ist für 45 000 Euro zu haben, Schlichtenmaier hofft, ein Gemälde von Willi Baumeister für 270 000 Euro loszubekommen. Auch von Gerhard Richter, dem teuersten Maler der Welt, ist etwas im Angebot, wenn auch nur ein Gemälde, das als Druck reproduziert wurde. 95 000 Euro ist fast schon ein Schnäppchenpreis für ein Original von Richter.

Und doch trügt der Eindruck vom unbeschwerten Luxus – und so erzählt diese Messe nach zweieinhalb Jahren Corona auch eine andere Geschichte. Früher saßen die Galeristen oft bei einem Gläschen Champagner blasiert in ihren Kojen und gaben sich selbstsicher. Jetzt sind viele aufdringlich wie Händler auf dem Basar, sie umgarnen und bezirzen das Publikum und vor allem die Presse – „den Künstler müssen Sie noch erwähnen und den hier und die Malerin da drüben auch noch“. Es wird geworben, gepriesen und getrommelt, so dass man ahnt: Das Geschäft ist hart geworden, noch härter. Deshalb hat der Bund auch hier unter die Arme gegriffen, die Standmieten konnten dank des Förderprogramms Neustart Kultur gesenkt werden.

Polizeiwagen aus der Schrottpresse

Steve Uhlig ist zum ersten Mal dabei. Seit zehn Jahren betreibt er in Leipzig eine Galerie und will mit der Karlsruher Messe nun „den nächsten Schritt machen“. Er hat „Rocco und seine Brüder“ im Angebot, einen Künstler mit Team, das sich gern in der Illegalität bewegt und zum Beispiel geklaute Klamotten auf Bildwerken verarbeitet. Auch das wohl beliebteste Fotomotiv der Messe stammt von Rocco: ein Polizeiwagen, der in der Schrottpresse in ein eckiges Blechknäuel verwandelt wurde. 25 000 Euro soll er kosten. Die Chancen, so etwas in Karlsruhe zu verkaufen, sind allerdings gering.

Kehrt das breite Publikum überhaupt zurück?

Auch wenn die fantastischen Villen, die Carola Schapals malt, daran erinnern, dass Luxus und Überfluss nach wie vor sehr real sind, wird sich an diesem Wochenende in Karlsruhe zeigen, ob sich in diesen Zeiten Menschen entschließen, auch mal in Kunst zu investieren. Selbst wenn es reichlich Werke zu Einsteigerpreisen gibt, ist die Messe vorsichtig mit Prognosen, ob das breite Publikum überhaupt wie bisher nach Karlsruhe strömen wird.

So ist die Sorge doch sehr real, dass es mühsamer werden wird, Kunst im unteren und mittleren Segment zu verkaufen – auch wenn sie noch so fröhlich von einem unbeschwerten Leben zwischen Shopping, Café und Beach erzählen mag.

Feier des Weiblichen

Sonderschau
Mit dem Versprechen nach nackter Haut wird unter dem Titel „Eine Feier des Weiblichen in der Kunst“ die Sammlung Klocker vorgestellt.

Preise
Osmar Osten erhält den mit 5000 Euro dotierten Hans-Platschek-Preis für Kunst und Schrift. Die 15 000 Euro des vom Land und der Stadt Karlsruhe finanzierten Art-Karlsruhe-Preises gehen in den Ankauf einer besonders präsentierten Position. Die L-Bank vergibt zudem den Loth-Skulpturenpreis für einen der 24 Skulpturenplätze.

Info
Die Art Karlsruhe ist bis Sonntag täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Zwischen Hauptbahnhof und der City fahren kostenlose Shuttlebusse zur Messe Rheinstetten. adr