In aller Welt wird an Künstlicher Intelligenz geforscht. Arte widmet dem Thema einen Themenabend – und weist auf die Gefahren für die Menschenrechte hin.

Stuttgart - Chinas Konzept eines autoritären Staates, der von allen Bürgern widerspruchslosen Gehorsam verlangt, ist uralt. Die Technologie, die Chinas Herren zu ihrem Machterhalt einsetzen, ist dagegen stets brandneu – und oft die von übermorgen. Der französische Dokumentarfilm „Sieben Milliarden im Visier“ von Sylvain Louvet, der einen Themenabend zur Künstlichen Intelligenz (KI) bei Arte eröffnet, weist noch einmal darauf hin, dass in China ein flächendeckendes Überwachungsnetz entstanden ist, das man hierzulande noch für Science Fiction halten möchte.

 

Diktatur und Demokratie

Dabei mischt der Staat etwa bei der Unterdrückung der Volksgruppe der Uiguren gruselig pragmatisch alte und neue Methoden: Folterkeller, Umerziehungslager und Beamte in Dauerlauer vor der Haustür von Dissidenten, aber eben auch die Bewegungsdaten der Handys aller in Funknetze verknüpften Bürger und Gesichtserkennungssoftware, die den gesamten öffentlichen Raum überwacht.

Aber kann man den Einsatz von Überwachungssystemen in Diktaturen mit der Nutzung derselben Technologien zur Verbrechensprävention in Demokratien gleichsetzen? Die Furcht, die Technik selbst werde mit ihren Möglichkeiten der Demokratie schaden, darf man haben. Aber der Film diskutiert das nicht offen, er suggeriert mit seinem Hin- und Herspringen zwischen den USA, China und Europa, dass China nur offener zeige, welche Rechtseinschränkung da im Gange sei.

Schwarze Gesichter, weiße Gesichter

Noch gibt es viele Probleme etwa mit der Gesichtserkennung. Weiße Gesichter werden besser erfasst und klarer differenziert als dunkle. In den USA führt das dazu, dass afroamerikanische Bürger häufiger fälschlich mit einer Person aus der Straftäterdatei verknüpft werden als Weiße. Was der Film auslässt, ist der Umgang mit dieser Problematik: Niemand plädiert im Moment dafür, dass eine Polizeimaschine autonom Entscheidungen treffen darf. Der Kontakt mit dem Bürger obliegt einem menschlichen Cop, und die viel zu häufigen und auch mal fatalen Fehlentscheidungen im Umgang der US-Polizei mit Afroamerikanern haben am wenigsten mit Softwaremängeln zu tun.

Noch unpräziser wird der Film im Umgang mit der Entwicklung autonomer Waffensysteme, angefangen von den Begrifflichkeiten über den realen Stand der westlichen Drohneneinsätze bis hin zum Schweigen über das, was Putins Militär auch in Syrien an militärischer KI testet.

Dynamische Entwicklung

All diese Einwände gegen die filmische Methode meinen nicht, dass kein Anlass zu höchster Wachsamkeit bestünde. Tonje Hessen Scheis Dokumentarfilm „iHuman“ führt klar vor Augen, mit welcher Dynamik Privatfirmen das enorm brisante Menschheitsprojekt der KI vorantreiben – während die Politik sich noch immer mit ungelösten Fragen von vorvorgestern abmüht, mit Steuerreform, Rentenreform, Atomausstieg. Und „Die Geldroboter“ von Friedrich Moser und Daniel Wunder zeigt, welche Macht Computer bereist mit ihren Mikrosekundenentscheidungen im Börsengeschäft über die Weltwirtschaft haben.

Warum man sich diesen Themenabend bei Arte gönnen sollte, hat am schönsten Stephen Hawking erklärt. Der hat einmal gesagt, die Schaffung einer Künstlichen Intelligenz werde wohl das größte Ereignis in der Geschichte der Menschheit sein – aber vielleicht auch das letzte.

Ausstrahlung: Arte, Dienstag. Der Themenabend „KI – Endspiel für den Menschen“ startet ab 20.15 Uhr mit „Überwacht: Sieben Milliarden im Visier. Ab 21.45 Uhr: „iHuman“; ab 23.25 Uhr „Die Geldroboter“; ab 1.00 Uhr „Die Silicon-Valley-Revolution“. Danach bis 20. Juni 2020 in der Mediathek des Senders.