Naturschutzverbände fordern, nur noch mehrjährige Blühflächen zu fördern. Denn viele Insekten sterben beim Mähen im Spätherbst.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die Zebra-Wespenspinne heftet im Herbst mehrere Ei-Kokons an Grashalme. Der Schwalbenschwanz, ein Schmetterling, überwintert als Puppe an Pflanzenstängeln. Und drei Viertel der heimischen Wildbienen brüten im Boden von Wiesen und Ackerrainen. Sie alle sterben laut Jochen Goedecke, dem Agrarspezialisten des Nabu Baden-Württemberg, wenn die Landwirte im Herbst oder Winter mit dem Traktor die Blühstreifen abräumen.

 

Diese Flächen, die eigentlich als Rückzugsgebiete für Insekten und Vögel gedacht sind, entwickelten sich also teils zu Todesfallen, so Goedecke. Von zentraler Bedeutung sei es deshalb, die Pflanzen mehrere Jahre lang stehen zu lassen. Auch Nabu-Landeschef Johannes Enssle sagte: „Einjährige Blühflächen sind ökologisch ineffizient und womöglich sogar kontraproduktiv.“

Blühstreifen erfreuen Spaziergänger

Auf rund 19 000 Hektar lassen es die Bauern blühen

Das Land fördert diese Blühstreifen, die im Sommer auch viele Spaziergänger erfreuen, seit einigen Jahren aus ökologischen Gründen stark – jährlich gibt es dafür 12,5 Millionen Euro aus. Zuletzt blühten die Samenmischungen auf rund 18 000 Hektar im Südwesten, was etwa 1,3 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche entspricht.

Ziel müsse es künftig sein, betonte Johannes Enssle, vor allem mehrjährige Blühflächen zu fördern; ideal sei es, wenn die Blumen und Wildkräuter fünf Jahre lang ungestört wachsen könnten. Im Südwesten seien derzeit aber 98,2 Prozent aller Blühflächen einjährig. Auch als Nahrungsquelle etwa für Stieglitze im Winter oder als Deckung für Rebhühner fielen diese Flächen aus, wenn sie im Herbst beseitigt würden.

Bayern soll Vorbild für den Südwesten werden

Eigentlich findet es der Nabu ja richtig gut, dass Agrarminister Peter Hauk (CDU) das Förderprogramm aufgesetzt hat. Zudem hat die Landesregierung im Zuge des Bürgerbegehrens „Rettet die Bienen“ beschlossen, in den nächsten Jahren zehn Prozent der landwirtschaftlichen Äcker und Wiesen zu sogenannten Refugialflächen zu machen, auf denen Insekten und Vögel neue Lebensräume erhalten. Aber bisher laufe die Praxis eben sehr in die falsche Richtung, kritisierte Johannes Enssle.

Nabu läutet die Alarmglocken

Dass der Nabu gerade jetzt zusammen mit dem BUND, dem Landesnaturschutzverband und auch dem Landesjagdverband die Alarmglocken läutet, hängt damit zusammen, dass das Agrarministerium in Stuttgart zum 1. März eine neue Verwaltungsvorschrift zum Förderprogramm herausgeben will und dann der derzeitige Zustand auf Jahre hinaus zementiert werden könnte. Die Naturschützer fordern, dass das Land finanzielle Anreize schafft, damit die Landwirte auf mehrjährige Flächen umsteigen. In Bayern sei das bereits gelungen, so Jochen Goedecke – dort würden mehr als 80 Prozent der Blühflächen auf mehrere Jahre hin angelegt.

Minister Hauk zeigte sich allerdings auf Nachfrage irritiert über den Vorstoß der Naturschützer. Das Förderprogramm für einjährige Flächen laufe Ende dieses Jahres sowieso aus, weil diese dann nur noch auf Bundesebene über die sogenannten Ökoregelungen unterstützt würden. Das basiere auf neuen EU-Agrarregelungen. Bei der Verwaltungsvorschrift gehe es darum, klarzustellen, was künftig als Refugialflächen gilt. Der Nabu plädiert dafür, dass die einjährigen Blühflächen nicht dazuzählen dürfen.

Förderprogramm für Blühflächen ist attraktiv