Auf einer Streuobstwiese in Stuttgart-Sonnenberg hat Hellmut Wagner Wildrosen eingepflanzt, von denen einige nur noch sehr selten zu finden sind. Was treibt den Rentner an?

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Sonnenberg - Botanik ist schon eine Nische, sagt Hellmut Wagner. Und Wildrosen erst recht. Genau dort liegt die Passion des Sonnenbergers, der lange beruflich im Naturschutz tätig war und den auch der Ruhestand nicht davon abhält, auf diesem Gebiet aktiv zu bleiben. Er sei ein Naturliebhaber durch und durch, sagt Wagner. Seine ganz persönliche Nische hat er unterhalb der Kressart-Streuobstwiese gefunden. Dort pflanzt er seit 2013 Wildrosen an.

 

„Das Thema Artenschutz ist gerade in aller Munde“, sagt der Sonnenberger. Dabei denken die meisten allerdings an Tiere und ganz aktuell an das Verschwinden der Insekten. Doch auch Pflanzen gilt es zu schützen. Mit seinem Projekt im Kressart leistet Hellmut Wagner seinen Beitrag dazu. „Ich möchte nicht, dass diese Arten verloren gehen. Ich möchte, dass die Rosen, die einst auch hier heimisch waren, erhalten bleiben“, erklärt der Rentner seinen Antrieb.

Im Sonnenberg wachsen Raritäten

Wenn Hellmut Wagner über „seine“ Wildrosen spricht, schleicht sich ein Strahlen in seine Augen. Er hat sich dem Schutz der Pflanzen verpflichtet. „In Stuttgart und Baden-Württemberg werden es immer weniger“, bedauert er und nennt als Beispiel die Raublättrige Rose. Diese Art komme nur an vier Standorten in Stuttgart vor, etwa in den Weinbergen in Bad Cannstatt. „Mit dieser Rose fing es an“, sagt Wagner. Von allen Standorten hat er Stecklinge geholt. Inzwischen habe er die Nachzuchten von allen vier Büschen im Sonnenberg eingepflanzt. Zu ihnen gesellen sich am Waldrand Exemplare der Essig-Rose, der Wein-Rose, der Filz-Rose oder der Feld-Rose, „eine der Raritäten hier“, sagt Wagner. Die Hecken-Rose hingegen hat er nicht nach Sonnenberg holen müssen, sie wuchs schon dort. Hellmut Wagner kümmert sich auch um sie.

Die Pflanzen säumen den Waldrand zwischen der Christian-Belser-Straße und der Straße Im Betzengaiern, das Grundstück ist städtisch. Wagners Herzensprojekt ist mit den für die Fläche zuständigen Ämtern abgesprochen. Er kommt regelmäßig vorbei und schaut nach dem Rechten, bindet Zweige hoch, die zu sehr in den Weg hineinragen, und gießt die Wildrosen in längeren Trockenperioden. Auch an diesem Nachmittag ist er mit seinem Fahrrad in den Kressart geradelt. Im Korb auf seinem Gepäckträger ein Kanister mit Wasser und ein Filzstift, mit dem er die handgeschriebenen Schildchen an den Sträuchern, die die Passanten über Art und Eigenschaften der jeweiligen Rose aufklären, erneuert. Wind und Wetter haben die Schrift teils unleserlich gemacht.

„Wenn ich hier bin, werde ich regelmäßig auf die Wildrosen angesprochen“, sagt Wagner. Gerne bringt er den Spaziergängern seine Passion näher, beschreibt den „aromatischen Duft“ der Wein-Rose im Frühjahr, zeigt die samtenen Blätter der Filz-Rose. Auch Vertreter des Regierungspräsidiums hätten sich bereits Wagners Projekt erklären lassen, erzählt der Rentner.

Er ist noch nicht fertig mit seinem Artenschutzprojekt

Am Samstag, 21. September, bietet Hellmut Wagner eine Führung entlang des Wildrosenhains an. Zwar blüht zu dieser Jahreszeit keine der Rosen, dafür sind die Büsche voller roter und orangefarbener Hagebutten. Und auch da sieht man Unterschiede: Die einen sind kugelrund und stachelig, die anderen klein und eher länglich.

Hellmut Wagner ist immer auf der Suche nach neuen, seltenen Wildrosenarten, um sie unterhalb der Streuobstwiese anzupflanzen. „Ich bin noch nicht fertig“, kommentiert er sein Artenschutzprojekt. Objekt seiner Begierde ist aktuell die Keilblättrige Rose. Sie steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten und ist als gefährdet eingestuft. Wagner hat herausgefunden, dass die Pflanze einst auch in Stuttgart wuchs. Inzwischen gebe es allerdings keinen Standort mehr.

Über die Internetseite des staatlichen Museums für Naturkunde hat er Orte in Baden-Württemberg ausgemacht, an denen diese spezielle Wildrose noch vorkommen soll. Wissenschaftler haben diese floristische Kartierung angelegt. Nach und nach besucht Hellmut Wagner die genannten Standorte, um nach der Rose zu suchen. „Ich hoffe, dass ich da noch an Exemplare rankomme“, wünscht sich Hellmut Wagner.