Viele Frösche und Molche verschwinden. Warum wirken die Schutzprogramme nicht besser? Wir müssen Artenschutz jetzt ganz neu denken, kommentiert unser Autor Thomas Faltin.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Gelbbauchunken, Teichmolche und Grasfrösche haben gleich zwei Riesenprobleme. Zum einen sind sie nicht plüschig genug, um viele menschliche Unterstützer zu gewinnen, und zum anderen wechseln sie zwischen Wasser und Land hin und her und sind doppelt von Zersiedelung, Umweltgiften und Biotopverlust betroffen. Und eigentlich muss man längst einen dritten Punkt hinzunehmen: Der Klimawandel lässt Seen verschwinden und das Land vertrocknen – für die Amphibien kommt das oft einem Todesurteil gleich.

 

Unbemerkt von den meisten Menschen verabschiedet sich eine ganze Tierklasse aus unserer Heimat. Von den 20 in Deutschland vorkommenden Lurcharten ist mehr als die Hälfte gefährdet. Zudem wird die Salamanderpest früher oder später den Südwesten erreichen und wie anderswo diese wunderschönen Tiere reihenweise töten.

Wie arm wäre diese Welt, wenn wir fast allein auf ihr wohnten?

Dieses apokalyptische Artensterben, das kaum weniger stark auch Insekten oder Vögel betrifft, ist dennoch für viele Bürger und Politiker noch immer nur ein unruhiges Irrlichtern im Hintergrund, das von Krieg und Klimawandel überstrahlt wird. Noch immer hat die Menschheit nicht erkannt, dass dieser Verlust ungeahnte Folgen haben wird. Es ist kein fernes Horrorszenario mehr, dass wir Apfelbäume künstlich bestäuben werden müssen, weil es keine Bienen mehr gibt. Von der emotionalen Seite wollen wir erst gar nicht reden – denn wie arm wäre diese Welt, wenn wir fast allein auf ihr wohnten?

Um an diesem Szenario etwas zu ändern, braucht es mehr als Kosmetik. So wenig wie zwei, drei Fotovoltaikanlagen das Klima retten, so wenig retten zwei, drei neue Teiche die Amphibien. Es braucht einen Paradigmenwechsel. Wir müssen völlig neu denken.

Und das bedeutet in erster Linie, weniger Flächen für Siedlungen zu verbrauchen und eine möglichst rein ökologische Landwirtschaft einzuführen. Baden-Württemberg hat sich hohe Ziele gesetzt, indem es die Pestizide um bis zu 50 Prozent reduzieren und die ökologische Landwirtschaft auf bis zu 40 Prozent steigern will, beides bis 2030. Aber das reicht immer noch nicht.

Wir müssen etwa ganz weg von den Spritzmitteln. Überwältigend viele Studien zeigen ganz klar, dass die Pflanzenschutzmittel trotz aller hohen Zulassungshürden eine verheerende Wirkung haben auf Flora und Fauna, weil sich zum Beispiel oft mehrere Pestizide zu einem unheilvollen Cocktail verbinden. Amphibien sind wegen ihrer dünnen Haut besonders anfällig dafür.

Auch Fleisch aus dem Labor könnte dazu beitragen, unsere Nahrung zu sichern

Manchmal könnte man den Eindruck bekommen, dass wir alle Schutzprogramme nur noch halbherzig unternehmen, weil wir selbst nicht mehr richtig an den Erfolg glauben. Aber die Programme für die Hamster bei Mannheim oder die Rebhühner bei Rottenburg zeigen, dass der Einsatz etwas bringt. Ein Beispiel sind auch die Nervengifte aus der Gruppe der Neonicotinoide, die seit vier Jahren verboten sind. Seither beobachten manche Naturschützer einen klaren Aufwärtstrend bei den Insekten. Das macht Mut.

Aber natürlich geht es um die Quadratur des Kreises. Wir brauchen Wohnfläche, wir brauchen Lebensmittel. Um die geringere Erntemenge bei einer ökologischen Landwirtschaft auszugleichen, müssen ganz neue Lösungen her, die uns heute womöglich noch bizarr vorkommen. In alten Industrieanlagen könnte Gemüse gezüchtet werden – dort braucht es keine Pestizide, und der Dünger gelangt nicht in die Umwelt. Auch Fleisch aus dem Labor könnte in naher Zukunft dazu beitragen, unsere Nahrung zu sichern und zugleich unsere Mitgeschöpfe zu retten.

Fangen wir also an, die Frösche zu küssen. Und denken wir groß. Sonst ist es zu spät.