Anderen geben die Bienenexperten aus Stuttgart-Hohenheim im Sinne des Insektenschutzes Tipps für Balkon und Garten. Doch was tun sie selbst konkret auf dem Universitätscampus?

Filder - Anfang des Jahres haben Hohenheimer Bienenkundler in Leinfelden bei einer gut besuchten Veranstaltung Tipps gegeben, was jeder Einzelne auf seinem Balkon oder im Garten gegen das Bienensterben tun kann. Doch was tun die Hohenheimer selbst auf ihrem Campus? Wenig, findet Werner Schwenn. Er moniert, dass man in Hohenheim an keinem Weg- oder Feldrand Kräuter oder Wildpflanzen finde. Alles sei auf eine maschinengerechte Pflege ausgerichtet. „Es dominiert auf dem Campus und selbst in den Parks ums Schloss eine Rasenödnis, die mir schon lang übel aufgefallen ist“, sagt er, „die Uni könnte aktiv etwas gegen das Insektensterben tun, nachdem sie es jahrzehntelang mit verursacht hat“.

 

Was ist dran? Beim Rundgang durch die Hohenheimer Gärten stehen vier Experten Rede und Antwort: Peter Rosenkranz, der Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde, der wissenschaftliche Leiter der Hohenheimer Gärten Helmut Dalitz, Tierökologe Professor Johannes Steidle sowie Biologieprofessor Martin Hasselmann, der sich genau diesem Thema seit 2017 annimmt.

Zuständigkeiten, Abhängigkeiten, Kosten und Zwänge

Es ist offenbar nicht so einfach, die Grünanlagen an der Uni insektenfreundlich zu gestalten – sprich die Wiesen nur zweimal statt wie momentan achtmal im Jahr zu mähen. „Es geht hier viel um Zuständigkeiten, Abhängigkeiten, Kosten und Zwänge“, sagt Hasselmann. „Mäht man seltener, wird die Wiese artenreicher, dann muss aber das Schüttgut abtransportiert und entsorgt werden.“ Das verursacht hohe Kosten. Mäht man öfter, kann es zwar liegen bleiben, dadurch entstehen jedoch mehr Nährstoffe im Boden, was eine geringere Diversität zur Folge hat. Insekten benötigen Magerwiesen, denn die darauf blühende Kräuter- und Blumenvielfalt dienen als Weide.

Und auch die Zuständigkeiten seien kompliziert: Die 40 Hektar öffentliche Grünflächen des Campus gehören dem Landesbetrieb Vermögen und Bau. Für die 30 Hektar großen Hohenheimer Gärten mit ihren neun Hektar Wiesenfläche ist wiederum die Uni zuständig und hat hier das Heft des Handelns in der Hand.

Bewusstsein für Insektenkunde

„Dicke Bretter zu bohren“, hat derweil Professor Hasselmann in Verhandlungen mit dem Land: „Wir sind in ständigen Gesprächen, doch es gestaltet sich sehr schwierig.“ Per se gebe es keine Gegner, aber auch niemand, der wirklich zuständig sei. Dazu kommen höhere Kosten und das oft mangelnde Bewusstsein für Insektenkunde. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: „Kürzlich wurde mit dem zuständigen Bauamt vereinbart, dass ein ökologisches Gutachten erstellt wird, um ab 2021 einzelne Flächen, wie zum Beispiel die Kirschenallee, insektenfreundlicher zu bewirtschaften“ , sagt Steidle.

Genau das wird in den Hohenheimer Gärten bereits überall praktiziert. Der wissenschaftliche Leiter, Helmut Dalitz, hat verschiedene Projekte für die Insektenvielfalt angestoßen. Zum Beispiel werden seine Magerwiesen nur zweimal im Jahr gemäht, am Rand bleibt rund ein Meter Wiese, der sogenannte Akzeptanzstreifen, auf dem gepicknickt werden darf. Zudem wurden im Rahmen von Studien drei Blühstreifen angelegt, die belegen, wie die Artenvielfalt gedeiht. „Damit wollen wir zeigen, dass es auch auf kleinen Räumen, wie zum Beispiel auf einem Balkon, möglich ist, etwas zu tun.“ Wichtig sei es, nur einheimisches Saatgut zu verwenden und in Gärten generell keine Exoten zu pflanzen.

Artenreichtum in den Hohenheimer Gärten

„Auch wenn es unordentlich aussieht, es ist die beste Umgebung für Insekten“, weiß Steidle. Mit Studenten beobachte er die ausgehöhlten Bäume in der denkmalgeschützten Pappelallee: „Die umgefallenen Bäume sind der beste Lebensraum.“ Beweise fürs Artenreichtum liefern die Fallen oben in den Bäumen. Steidle: „Rund 20 dieser Käferarten sind auf der roten Liste.“ Sie leben übrigens gemeinsam mit rund 1400 Arten in den Hohenheimer Gärten – darunter 20 verschiedene Libellenarten, eine Graureiherkolonie, Fledermäuse, Eichhörnchen und Eisvögel.

Derweil fällt es auch Privatleuten mitunter schwer, für den Insektenschutz zu tun, was sie gern tun würden. Osterglocken, Hortensien, Rosen, Bäume und Hecken – eine Frau aus Degerloch, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, erzählt, sie habe mehr als 40 Jahre ihre Terrasse gehegt und gepflegt. Für sich, aber auch für Insekten. Eines Tages sei dann die Hiobsbotschaft gekommen: „Aufgrund einer energetischen Sanierung musste meine komplette grüne Oase abgerissen werden.“ Bei einem Besuch in ihrer Wohnung ist ihr die Fassungslosigkeit anzumerken. Sie öffnet die Terrassentür und klagt: „Jetzt liegt hier nur noch Müll und Schutt, es wurde alles zerstört, wo sich die Bienen und Hummeln ihre Nahrung geholt haben und zwitschernde Vögel ihre Nester gebaut haben.“ Hinzu komme noch Ärger mit der Hausverwaltung wegen Kosten, Zuständigkeiten und Dauer. „Keiner kann mir sagen wie lange es noch geht, bis ich wieder etwas anpflanzen kann.“