Sylvie Uderzo ist die starke Frau in dem Comic-Imperium. Ihr Aufstieg wurde begleitet von einem heftigen Familienstreit. Dabei schien den Kontrahenten jedes Mittel recht.

Paris - Mit ihr ist nicht zu spaßen. Auch jetzt nicht, da sie doch nicht mehr kämpfen muss, genüsslich den Sieg auskosten könnte. Asterix pflegt sich nach erfolgreich bestandener Schlacht einem vergnüglichen Fressgelage hinzugeben. Sylvie Uderzo, die sich als Seelenverwandte des kleinen Kriegers geoutet hat, als „Asterix‘ Schwester“, wie sie einmal sagte, tut nichts dergleichen. Ob sie nun mit gleichförmig fester Stimme über jetzt erschienenen neuen Asterix-Band spricht oder über ihren verstorbenen Vater, den Asterix-Schöpfer Albert Uderzo: Die 65-Jährige scheint noch immer im Kampfmodus. Wehrhaft wirkt sie, nicht gelöst oder gar glücklich.

 

Der Vater setzt die Tochter auf die Straße

Dabei ist doch am Ziel ihrer Wünsche. Lange Zeit mit Nebenrollen abgespeist, zieht sie im Hunderte Millionen Euro schweren Asterix-Imperium die Fäden. Es hat weltweit bereits 385 Millionen Comic-Alben verkauft, betreibt Merchandising, produziert Filme und Computerspiele, vergibt Lizenzen und unterhält Frankreichs zweitgrößten Vergnügungspark. Gegründet wurde das Imperium 1959. Der zeichnende Albert Uderzo und sein schreibender Kumpel René Goscinny hatten die zündende Idee, mit Geschichten über ein gallisches Dorf und zwei ungleiche Helden die Vorherrschaft amerikanischer Comics zu brechen. Asterix und Obelix waren geboren. Als Goscinny 18 Jahre und 23 Asterix-Hefte später bei einem medizinischen Belastungstest an Herzversagen starb, machte Uderzo allein weiter, übernahm auch das ihm nicht eben in die Wiege gelegte Texten. Die Asterix-Bände erschienen nun im eigenen Haus, den Éditions Albert René. Sylvie Uderzo stieg zur Generaldirektorin auf, führte zunehmend eigenständig die Geschäfte, bis 2007 heftige Kämpfe entbrannten und der Vater die Tochter auf die Straße setzte.

„Psychische Gewalt“ ausgeübt

Auslöser war der Plan des Vaters, seine Anteile an den Editions Albert René für angeblich 15 Millionen Euro dem Großverleger Hachette Livre zu vermachen. Die Tochter bangte um Erbe und Einfluss und versuchte, den Plan zu vereiteln. Vergeblich: Hachette Livre verleibte sich Albert René ein. Sieben Jahre lang bekriegten sich die beiden vor Gericht. Mal erstattete die Tochter Anzeige gegen Unbekannt, weil Fremde den angeblich altersschwachen Vater um sein Vermögen brächten. Dann wieder verklagte der Vater die Tochter, weil sie mit „psychischer Gewalt“ versuche, sich das Asterix-Imperium unter den Nagel zu reißen.

Dass der Patriarch aus gesundheitlichen Gründen 2013 den Stift aus der Hand legte, den Zeichner Didier Conrad und den Texter Jean-Yves Ferri mit der Fortführung der Asterix-Reihe betraute, stimmte die Streitenden nicht milde. Ende 2014 erst hielten sie erschöpft inne, erklärten die Familienfehde in einer kurzen Verlautbarung für beendet. Allein wegen ihrer beiden Kinder, die Albert eng verbunden waren, soll die Tochter eingelenkt haben. Gut fünf Jahre später starb Albert Uderzo im Alter von 92 Jahren.

Der „Leonardo“ des Comics

„Jetzt wache ich darüber, dass Conrad und Ferri die Grenzen des ihnen anvertrauten Asterix-Universums respektieren“, verkündete Sylvie Uderzo. Sie wacht mit Erfolg. Das Echo auf den neuen Asterix-Band, auf den der Vater fast keinen Einfluss mehr hatte, fällt positiv aus. Kritiker rühmen „Asterix und der Greif“ als gelungen. Die Illustration sei großartig, der Plot gut und zielführend.

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Und vielleicht kommt es ja noch, das befreite Aufatmen, das gelöste Lächeln nach siegreicher Schlacht. Darauf deutet hin, dass die ehemals so aggressiv auftretende Tochter dem Grundsatz huldigt, wonach man über Tote nur Gutes sagen soll. Als cool und genial würdigte sie jüngst den Vater und setzte guter Letzt noch eins drauf: „Albert ist der Leonardo da Vinci des Comics.“