Zuerst zum Mond, dann zum Mars. US-Präsident Donald Trump wird konkret, was seine Pläne für die Raumfahrtpolitik der USA angeht. Doch wie realistisch sind die Vorhaben? Wir sprachen mit dem deutschen Astronauten Thomas Reiter.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Paris/Stuttgart - Der deutsche Astronaut Thomas Reiter verbrachte insgesamt 350 Tage im Weltall. Seit vergangenem Jahr ist er Koordinator der Europäischen Raumfahrt-Organisation ESA und Berater des ESA-Generaldirektors Jan Wörner. Wie bewertet er die Pläne von US-Präsident Donald Trump, wieder Amerikaner auf den Mond und danach zum Mars zu schicken?

 

„Die Frage ist, wie schnell man dieses Ziel erreichen kann“

Herr Reiter, hat Sie die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Astronauten zum Mond und zum Mars zu schicken überrascht?
Die Pläne überraschen uns nicht. Wir haben sie mit der NASA und den anderen Partnern der Internationalen Raumstation ISS entwickelt. Anfang Oktober fand in den USA die erste Sitzung des nationalen Weltraumrates statt. Dort war schon absehbar, dass auch dort das Interesse an einer Rückkehr zum Mond groß ist. Damit ist die Planung, die wir seit Jahren mit der NASA und den anderen Partnern des ISS-Programms vorantreiben, nämlich die Entwicklung von „Deep Space Gateway“ – einer Raumstation im Mond-Orbit – weiter vorangeschritten. Es handelt sich um eine Zwischenstation für die Rückkehr des Menschen zum Mond bzw. um ein Sprungbrett für eine bemannte Reise zum Mars.
Administrative Entscheidungen sind das eine, die ungeheuren finanziellen Lasten von 500 Milliarden Dollar und mehr das andere. Sind die Kosten für eine Mars-Expedition nicht unbezahlbar?
Zunächst muss man feststellen, dass die Entwicklung der neuen Trägerrakete SLS, die für ein solches Vorhaben erforderlich ist, bereits seit vielen Jahren Bestandteil des NASA-Budgets ist. Der Erstflug dieses Pendants zur früheren Saturn-V-Rakete des Apollo-Programms soll 2019 zuerst unbemannt und 2020/21 bemannt um den Mond herum stattfinden. Wie schnell man das Ziel erreichen kann, Menschen zum Mond und zurück zu bringen, hängt natürlich vom Budget ab. Wird das anderthalb Jahrzehnte dauern – oder möglicherweise schon im nächsten Jahrzehnt stattfinden. Wir sind nach dieser Ankündigung des US-Präsidenten gespannt, ob das NASA-Budget jetzt erhöht wird.
Voraussetzung für ein solches Projekt ist vor allem die internationale Zusammenarbeit. Glauben Sie, dass die USA und China künftig an einen Strang ziehen werden?
Wir hoffen, dass mehr Partner dabei sind als dies heute bei der ISS der Fall ist. Bei der Internationalen Raumstation sind es 15 Nationen, davon allein zehn Nationen von der Europäischen Raumfahrt-Organisation ESA. Natürlich wäre es toll, wenn beim Mond- und Mars-Vorhaben auch andere Raumfahrt-Nationen wie China mitmachen würden. Der große Vorteil wäre, dass durch eine solche Kooperation die Lasten auf noch mehr Schultern verteilt werden könnten. Die ESA macht das bei all ihren Missionen, die von den 22 Mitgliedsländern getragen werden.
Bisher galt für Trump „America first“. Sehen Sie eine Trendwende in der US-Raumfahrt?
Die internationale Kooperation ist sehr wichtig. Deshalb waren wir auch gespannt, ob der amerikanische Präsident, der bisher immer „America first“ vorangestellt hat, tatsächlich sagt: Wir machen das mit den internationalen und kommerziellen Partnern. Genauso ist die Botschaft von Donald Trump auch rübergekommen.
Welche Option präferieren Sie ? Über die Raumstation „Deep Space Gateway“ gleich zum Mars zu fliegen, wie die Amerikaner es planen? Oder erst eine Zwischenstation im „Moon Village“ auf dem Mond einzulegen?
Aus unserer Sicht führt der Weg zum Mars ganz klar über den Mond. Der Mond ist rund 380 000 Kilometer von der Erde entfernt. Bevor man irgendwann einmal Menschen zum Mars schickt, die dann vollkommen auf sich selbst und auf die zuverlässigen Funktionen von Systemen gestellt sind, sollte man die entsprechenden Technologien erst in geringerer Entfernung erproben. Deshalb sind wir der Meinung, dass der Mond der richtige Zwischenschritt ist.
Die körperlichen und seelischen Belastungen für Mars-Reisende wären enorm. Kann der menschliche Organismus das überhaupt aushalten?
Es gibt da noch einige Probleme zu lösen. Die lange Missionsdauer von insgesamt zweieinhalb Jahren ist eines davon. Hinzu kommt die enorme Strahlenbelastung. An Bord der ISS wird man durch das Magnetfeld der Erde vor kosmischen Strahlen weitgehend geschützt. Wenn man sich auf eine Reise zum Mars begibt, muss man dafür sorgen, dass die Astronauten auf der langen Reise und auf der Oberfläche geschützt werden. Wir suchen nach leichten Materialien – Bleiplatten kommen da nicht in Frage –, um das zu ermöglichen. Es sind noch technologische Herausforderungen zu meistern. Das ist auch eine Frage der Finanzierung. Je mehr Geld man in das Projekt reinsteckt, umso schneller kann man entsprechende technologische Lösungen zur Reife bringen und einsetzen.

Zur Person

Thomas Reiter wurde 1958 in Frankfurt/Main geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1977 bis 1982 Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr München. Danach absolvierte er eine Ausbildung zum Jetpiloten.

Von 1992 bis 2007 war er Astronaut der Europäischen Raumfahrt-Organisation ESA und der achte Deutsche im All.

In der russischen Raumstation Mir absolvierte er 1995/96 den ersten ESA-Langzeitflug. Dabei unternahm er als erster Deutscher einen Weltraumausstieg.

Auf der Internationalen Raumstation ISS war er 2006 der erste europäische Langzeitflieger. Heute ist Reiter ESA-Koordinator internationale Agenturen und Berater des Generaldirektors. Er ist beurlaubter Brigadegeneral der Luftwaffe.