Zum ersten Mal haben Forscher beobachtet, wie ein Schwarzes Loch einen ganzen Stern aufsaugt. Doch der Himmelskörper geht nicht vollständig verloren – einen Teil der Materie schleudert das Schwarze Loch zurück ins Weltall.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Granada/Turku - Sie waren auf der Spur einer Supernova-Sternexplosion. Doch stattdessen stieß ein internationales Forscherteam auf etwas, das nie zuvor beobachtet wurde: Ein gigantisches Schwarzes Loch, das einen kompletten Stern verschlingt. Einen Teil seiner Materie schleuderte es in einem massiven Strahl zurück in den Weltraum.

 

Premiere in der Astronomie

Zum ersten Mal habe man die Entstehung und Ausbreitung eines solchen Materie-Jets direkt beobachten können, der von einem supermassiven Schwarzen Loch hervorgerufen wird. Der Materie-Jet schießt mit rund einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit (knapp 300 000 Kilometer pro Sekunde) ins All hinaus, berichten die Wissenschaftler um Seppo Mattila von der Universität Turku in Finnland und Miguel Pérez-Torres vom Astrophysikalischen Institut von Andalusien in Spanien im Fachblatt „Science“.

Die Forscher hatten für ihre Untersuchung Beobachtungsdaten von zahlreichen Observatorien aus mehr als zehn Jahren ausgewertet. Ursprünglich hatten sie nach Supernova-Sternexplosionen in einem Paar kollidierender Galaxien gefahndet. Dort registrierten sie 2005 einen hellen Strahlungsausbruch.

Masse von 20 Millionen Sonnen

Erst 2011 zeigte sich, dass es sich bei dem Ausbruch nicht um eine Supernova handelte. Stattdessen hatte offensichtlich ein Schwarzes Loch mit der Masse von 20 Millionen Sonnen einen Stern zerrissen, der ihm zu nahe gekommen war. Die Materie des Sterns sammelt sich bei so einem Ereignis auf einer Scheibe um das Schwarze Loch, bevor sie hineinfällt. Ein Teil der Materie wird jedoch in zwei eng gebündelten Jets senkrecht zur Scheibe ins All geschleudert.

„Niemals zuvor konnten wir die Entstehung und Entwicklung eines Jets von einem solchen Ereignis direkt beobachten“, sagt Pérez-Torres in einer Mitteilung des US-Radioastronomie-Observatoriums, dessen Instrumente an der Beobachtung beteiligt waren.

Um das Ereignis in der rund 150 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie mit der Katalognummer Arp 299 mit ausreichender Detailschärfe beobachten zu können, hatten die Forscher unter anderem Tausende Kilometer voneinander entfernte Radioteleskope zu einem virtuellen Riesenteleskop zusammengeschaltet.

Staubsauger im Weltall

Schwarze Löcher sind die schwärzesten Himmelsobjekte, die wir kennen – und zugleich die massereichsten und dichtesten. Sie bestehen aus extrem zusammengepresster Materie und Energie. Deshalb ist ihre Anziehungskraft auch so gewaltig, dass nichts ihrem Sog entkommen kann. Schwarze Löcher schlucken alles: Planeten, Sterne, Sternenstaub, Energie und Licht.

Auch wenn sie pechschwarz sind, wissen die Forscher trotzdem durch mathematische Berechnungen und astronomische Beobachtungen ziemlich genau wie solche Schwarze Löcher im Weltall aussehen: wie ein heller Ring rund um einen schwarzen Kreis. Der helle Ring besteht aus Millionen Grad Celsius heißem Gas und Staub, die von dem Schwarzen Loch extrem beschleunigt und schließlich für immer verschlungen werden. Auf Nimmerwiedersehen.

Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass der Begriff Schwarzes Loch für derlei Phänomene allgemein eingeführt wurde. Der amerikanische Physiker John Archibald Wheeler suchte 1967 bei einer Konferenz ein Ersatzwort für den englischen Zungenbrecher „Gravitationally completely collapsed object“. Kurzerhand nahm er den Vorschlag eines Zuhörers auf, der solche Phänomene kurz „Black Whole“ nannte.