Der 46-jährige Asylsuchende aus dem Iran ist Anfang der Woche nach Italien abgeschoben worden.

Leonberg - Reza Nikooyeh ist abgeschoben worden. Vergebens waren die große Solidarität und der riesige Rückhalt beim SV Leonberg/Eltingen, insbesondere in der Handballabteilung. Der 46-jährige Iraner ist am Montag nach Bari in Südwestitalien ausgeflogen worden.

 

„Der gelernte Kaufmann hat sich seit April 2018 vorbildlich im Leonberger Handballverein engagiert, als Trainer und Schiedsrichter“, sagt Frank Heer, Handball-Jugendkoordinator beim SV Leonberg/Eltingen. Bis zuletzt habe er bei der Organisation des Handballaktionstags an Leonbergs Spitalschule mitgewirkt. Als Schiedsrichter hat er auch Schulveranstaltungen im Bereich „Jugend trainiert für Olympia“ unterstützt.

„Wir sind traurig und bestürzt“

„Am Montag wurde er ohne Vorankündigung nach Italien abgeschoben, trotz einer Krankschreibung – wir sind traurig und bestürzt“, gibt Heer die Stimmung im Verein wieder. Der 46-Jährige laufe seit drei Wochen mit Krücken und sei sehr schlecht zu Fuß. In der vergangenen Woche wurde sein Knie in der Röntgenpraxis in der Römergalerie untersucht. „Seine Diagnose hat Reza nicht mehr erfahren, denn die sollte ihm diese Woche mitgeteilt werden“, sagt Heer.

Reza Nikooyeh. Foto: privat
Bereits Anfang März sollte der Iraner abgeschoben werden. Doch der verheiratete Mann und Vater zweier Töchter im Alter von sechs und 17 Jahren – seine Familie lebt noch im Iran – war kurzzeitig untergetaucht und nicht auffindbar.

Er war im November 2017 aus dem Iran nach Deutschland gekommen. Aus seinem Versteck im Iran war er für viel Geld über „Flughafenschleuser“ nach Rom und dann nach Deutschland gekommen. Er musste alleine sein Heimatland verlassen, weil er zum Christentum konvertierte, und weil er vor einigen Jahren an Protesten gegen das Mullah-Regime teilgenommen hatte. Ihm drohte und drohen nach seiner Einschätzung immer noch mindestens zehn Jahre Gefängnis.

Registrierung in Italien

Die Flucht des 46-Jährigen führte ihn zunächst nach Italien. Dort wurde er registriert. Stationen in Deutschland waren dann Karlsruhe und Heidelberg, bis er im Januar 2018 in einem Zimmer der Flüchtlingsunterkunft in der Rutesheimer Straße untergebracht wurde. Doch gerade diese Route lässt bei ihm das Dubliner Abkommen greifen, was bedeutet, dass Reza Nikooyeh nach Italien zurückmusste. Das heißt für den abgelehnten Asylsuchenden, dass er für fünf Jahre kein freies Reiserecht hat. „Kommt er nach Leonberg zurück, ist das illegal“, erläutert Heer. „Einziger Trost ist, dass Italien nicht in den Iran abschiebt. Allerdings sind die Asylsuchenden dort sich selbst überlassen“, hatte es Ralf Heimerdinger, der Handball-Abteilungsleiter beim SV, bereits im März formuliert.

„Am Montagabend bestand noch über Whatsapp Kontakt zu Reza“, sagt Frank Heer. Die italienischen Behörden hatten den Iraner am Flughafen registriert und dann auf die Straße geschickt. Eine Unterbringung in einer Notunterkunft sei nicht erfolgt und eine Verpflegung habe es nicht gegeben. „Er wurde praktisch in die Obdachlosigkeit entlassen“, sagt Heer aufgebracht. Nikooyeh übernachtete auf dem Bahnhof in Bari. „Seit Dienstagnachmittag ist der Kontakt abgerissen“, so Heer.

Hilfe durch den italienischen Staat sei vor allem seit der Gesetzesverschärfung nach dem Salvini-Dekret verzögert und wenn, dann schwer zugänglich, haben die Leonberger Unterstützer erfahren. Viele der Flüchtlingslager liegen auf dem Land, die ehrenamtlichen Hilfsorganisationen und die staatlichen Hilfsstellen haben ihren Sitz in den großen Städten – vor allem in Rom und Mailand.

Gesundheit sollte im Vordergrund stehen

Nach der aktuellen Gesetzeslage dürfen nur Menschen nicht abgeschoben werden, deren Gesundheitszustand sich dadurch lebensbedrohlich verschlechtert. „Ist dies bei einem Gehbehinderten, der keine Unterkunft, finanzielle und ärztliche Unterstützung hat, nicht der Fall?“, fragt man sich in der SV-Handballabteilung. Im Verein und auch darüber hinaus im Handballbezirk ist die Anteilnahme groß.

Noch am Montagabend, als die Nachricht bekannt wurde, wollten ihn viele Vereinsmitglieder finanziell unterstützen. „Wir haben Angst, dass Reza keine Perspektive mehr sieht, einen Platz zum Bleiben zu finden“, formuliert es Frank Heer.

Der gelernte Bürokaufmann aus dem Iran hat in Leonberg erfolgreich die C-Jugend trainiert – die Spieler sind zwischen zwölf und 14 Jahre alt. „Als Schiedsrichter, der in seiner Heimat auf Bundesliga-Niveau gepfiffen hat, ist er eine Autorität auf dem Spielfeld“, sagt Heer.

Viel Unverständnis herrscht schon seit März im Verein darüber, als bekannt wurde, dass Reza Nikooyeh abgeschoben werden sollte. „Wir wollen und brauchen doch Zuwanderer, die gebildet sind und sich integrieren, deshalb fordern wir: Reza muss bleiben“, hatte es Ralf Heimerdinger seinerzeit formuliert. Niemand zweifle an der aktuellen Rechtsprechung, es gehe darum, den vorhandenen Spielraum zu nutzen, um eine humane Lösungen zu finden, erklären die Sportler.

Große Sorge

„Als Geschichtslehrer bin ich da immer wieder an die vielen tausend Deutschen erinnert worden, die in Zeiten, in denen es hier eine Diktatur gab, kein Platz mehr für sich finden konnten und in den Freitod gingen“, sagt Frank Heer. Er macht sich Sorgen. Dem Verein sei es wichtig gewesen, dem Iraner eine Perspektive zu bieten. „Er hat Deutschkurse besucht und war mit mir noch am Samstag bei der Ausbildungsplatzbörse in Holzgerlingen, um beruflich in Deutschland Fuß zu fassen“, sagt der Handballer.

„Wir können natürlich bei weitem nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, aber wir müssen dafür sorgen, dass in Italien angemessene Lager zur Verfügung stehen, für Flüchtlinge, die in dieses Erstaufnahmeland zurückmüssen“, bringt es der Handball-Jugendkoordinator beim SV Leonberg/Eltingen auf den Punkt.

Wie läuft eine Abschiebung ab?

Die Abschiebung eines abgelehnten Asylsuchenden verfügt für ganz Baden-Württemberg das Regierungspräsidium Karlsruhe. Das legt das Datum fest, an dem die Ausreise erfolgen sollte. Geschieht das nicht freiwillig, werden die vier Abschiebe-Gruppen im Land aktiv, von denen die des Polizeipräsidiums Ludwigsburg für den Regierungsbezirk Stuttgart zuständig ist.

„Die örtlichen Polizeireviere managen die Abschiebung, die sechs Mitarbeiter der Abschiebe-Gruppe begleiten unter Umständen die Personen zu den Flughäfen, wenn die Reviere personell dazu nicht in der Lage sind“, erläutert Leitender Polizeidirektor Martin Zerrinius. Er ist der Chef der Direktion Polizeireviere in der Ludwigsburger Polizeibehörde. Am Flughafen werden die Personen in die Obhut der Bundespolizei übergeben, die je nach Lage gelegentlich auch mitfliegt.

Wer an seiner Anschrift nicht angetroffen wird – die Beamten kommen unangemeldet – wird zur Fahndung ausgeschrieben und als Ultima Ratio kann er auch in eine Abschiebe-Haftanstalt eingewiesen werden. Geschieht die Ausreise nicht freiwillig, hat der Abgeschobene fünf Jahre kein Betretungsrecht für Deutschland.