Mit harten Forderungen war Horst Seehofer in den Asylstreit mit der Kanzlerin gezogen. Nun zeigt sich: Der Innenminister hat viel weniger erreicht, als er eigentlich wollte. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Der offizielle Beginn der nun beigelegten Krise ist sehr genau zu datieren. Am Sonntag, den 10. Juni, spricht sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Interview gegen die Forderung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegen die Zurückweisung bestimmter Asylbewerber an der deutschen Grenze aus. Sie wolle, dass Deutschland „nicht einseitig national“ handle. Seehofer sagt unmittelbar danach die Präsentation eines Masterplans Migration ab. Der Streit eskaliert. Die Krise scheint nun beendet, doch was hat der Innenminister in diesem Konflikt tatsächlich erreicht?

 

Kommen Transitzentren an der Grenze? In dem Kompromisspapier der Regierungskoalition ist keine Rede mehr von „Transitzentren“ – Seehofer muss also deutliche Abstriche hinnehmen. Die Einigung sieht vor, dass Migranten, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben und an der deutsch-österreichischen Grenze abgefangen werden, in bestehende Einrichtungen der Bundespolizei in unmittelbarer Grenznähe kommen sollen. Es wird also nichts neu gebaut. Die SPD hatte sich vehement gegen neue, gefängnisähnliche Einrichtungen gestemmt.

Wie viele Flüchtlinge betrifft der Kompromiss? Seehofer selbst sagt, dass die neue Regelung bis zu fünf Fällen pro Tag betrifft. Dafür hat der Innenminister den Bruch der Koalition in Kauf genommen. Ursprünglich wollte Seehofer allerdings deutlich mehr Menschen an der Grenze zu Österreich zurückweisen. In seinem Entwurf für einen „Masterplan Migration“ heißt es noch: „Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem EU-Mitgliedsstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert worden sind.“ Nun geht es nur noch um „Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt haben“. Nicht jeder Schutzsuchende, der zum Beispiel in Italien oder Griechenland registriert wird, stellt dort auch einen Asylantrag – viele werden dort registriert, wollen aber dann weiterziehen nach Deutschland.

Können Flüchtlinge einfach nach Österreich abgewiesen werden? Der Plan von Innenminister Seehofer sah eigentlich vor, Menschen, bei denen der zuständige EU-Staat, zum Beispiel Italien, nicht zur Rücknahme bereit ist, nach Österreich abzuweisen. Kanzler Sebastian Kurz machte aber bei einem Treffen mit Seehofer deutlich, dass er dazu nicht bereit ist. Seehofer sagt nun: „Wir werden weder jetzt noch in der Zukunft Österreich für Flüchtlinge verantwortlich machen, für die sie nicht zuständig sind.“ Gibt es aber keine bilateralen Abkommen mit Österreich, Italien oder Griechenland, wird das ganze Rückführungskonstrukt wie ein Soufflé in sich zusammenfallen.

Was ist mit Schutzsuchenden, die über andere deutsche Grenzen kommen? In diesem Punkt hat Seehofer mehr erreicht, als er eigentlich geplant hat. Die Flüchtlinge sollen mit mobilen Grenzkontrollen und Schleierfahndungen bis zu 30 Kilometer hinter der deutschen Grenze verstärkt aufgegriffen werden. Bei ihnen soll künftig schneller geklärt werden, welcher EU-Staat für den Asylantrag zuständig ist. Bei dieser „Zuständigkeitsprüfung“ wird der Asylantrag selbst noch gar nicht bewertet. Seehofer sagt, das Bundesinnenministerium setze für diese Prüfung und die Überstellung aktuell mindestens ein Vierteljahr an. In dem Papier steht nun als Ziel, dieses Verfahren künftig „in wenigen Tagen“ abzuschließen. Hier geht es laut Seehofer um 46 000 Menschen im Jahr, die schon in anderen EU-Staaten registriert sind. Also um deutlich mehr als beim Transit-Modell.