Der Energiekonzern EnBW verständigt sich mit der Pariser EdF über die Rückbaukosten des Atomreaktors im französischen Fessenheim. Die Details dazu bleiben geheim.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Fessenheim - Der Energiekonzern EnBW muss nicht länger befürchten, neben den Milliardenkosten für den Atomausstieg in Deutschland auch noch in Frankreich viele Millionen Euro bezahlen zu müssen. Seit Jahren hatte die EnBW vor einer möglichen Pflicht gewarnt, sich am Rückbau des Kernkraftwerks im elsässischen Fessenheim finanziell zu beteiligen. Diese Zitterpartie wurde nun durch eine Vereinbarung mit dem Betreiber des Altmeilers, dem Staatskonzern Electricite de France (EdF) endgültig beendet. „Das Risiko ist entfallen“, bestätigte die EnBW gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Man habe sich mit der EdF „auf entsprechende Regelungen verständigt“, aber strikte Vertraulichkeit vereinbart; deshalb seien keine näheren Angaben möglich. Die Kostenfrage wird virulent, weil das für 2016 angekündigte Aus für Fessenheim näher zu rücken scheint.

 

An fixen und variablen Kosten beteiligt

Die in der breiteren Öffentlichkeit wenig bekannten Verflechtungen zwischen der EnBW und Fessenheim gehen auf das Jahr 1972 zurück. Damals übernahm das Badenwerk, eines der beiden Vorläuferunternehmen, 17,5 Prozent der Baukosten; in gleicher Höhe ist die EnBW bis heute „an den fixen und variablen Kosten beteiligt“. Im Gegenzug erhält sie einen entsprechenden Anteil am produzierten Strom. Dieser wurde nach früheren Informationen im Zuge eines Tauschs an den Eon-Konzern weitergegeben, offenbar aus technischen Gründen. Die EnBW habe weder Eigentumsanteile an dem ältesten französischen Kernkraftwerk, noch sei sie dort Aktionär, betonte das Unternehmen erneut. Verantwortlich für Betrieb und Sicherheit der Anlage sei alleine die EdF.

Um die Verträge mit den Franzosen war seit Jahren eine große Geheimniskrämerei betrieben worden. Auch Landtagsabgeordnete aus der Region bemühten sich - neben Aktionären und Medien - vergeblich um nähere Auskünfte. Die EnBW argumentierte, da man nicht Eigentümer sei, könne man „absolute Zahlen nicht benennen“; Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse stünden dem entgegen. Auch die Aufsichtsräte des Landes Baden-Württemberg, das mit etwa 47 Prozent an der EnBW beteiligt ist, verwiesen auf ihre Schweigepflicht; zudem handele es sich um Themen aus dem operativen Bereich. Unklar blieb auch, ob und inwieweit die Landesvertreter die Verträge überhaupt kannten.

Ein grundsätzliches Risiko

In ihren Finanzberichten hatte die EnBW stets ein „grundsätzliches“ Risiko erwähnt, sich am Rückbau von Fessenheim beteiligen zu müssen. Man sehe zwar keinen entsprechenden Rechtsanspruch der EdF, aber „der Sachverhalt befindet sich in der Klärung“. Im Bericht für die Hauptversammlung 2016 heißt es nun erstmals, das Risiko sei entfallen. Die EnBW habe sich „im Jahr 2015 vertraglich mit der EdF geeinigt“. In mehreren Gegenanträgen zur Hauptversammlung wird dieser Punkt von Kleinaktionären aufgegriffen. Sie fragen nach Einzelheiten der Einigung und werfen dem Vorstand eine „sehr unzureichende Informationspolitik“ vor.

In der Energiebranche wird insbesondere über mögliche Zugeständnissen der EnBW spekuliert. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die EdF ohne Gegenleistung eingelenkt hat. Zum einen hat der atomlastige Pariser Konzern selbst massive Finanzprobleme: der Gewinn ist eingebrochen, Milliarden müssen abgeschrieben werden, zuletzt kursierten sogar Sorgen vor einem Bankrott. Zum anderen schwelt immer noch ein Rechtsstreit zwischen der EdF und dem Land Baden-Württemberg um den Kaufpreis der 2011 unter Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) erworbenen EnBW-Anteile; das Land hält diesen für etwa 800 Millionen Euro zu hoch. Über den Stand des seit Jahren laufenden Schiedsverfahren ist kaum etwas bekannt.

Widersprüchliche Äußerungen

In Deutschland dringen die Bundesregierung und die baden-württembergische Landesregierung auf ein rasches Aus für Fessenheim. Seit der Ankündigung von Staatspräsident Francois Hollande, den Altmeiler bis Ende 2016 vom Netz zu nehmen, hatte es in Frankreich dazu immer wieder widersprüchliche Äußerungen gegeben; zuletzt hieß es, die Schließung sei nun für 2018 geplant. Von deutscher Seite wurde Unterstützung für ein Folgeprojekt in Aussicht gestellt, etwa eine Ansiedlung aus der Elektroauto-Branche.

Erst im Februar hatte die EdF angekündigt, 67 Millionen Euro in die Nachrüstung des Kernkraftwerks zu investieren; daran muss sich die EnBW offenbar noch beteiligen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete und Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl sagte derweil der Stuttgarter Zeitung, sie könne die Vereinbarung mit der EdF „in Gänze nicht bewerten, weil Details nicht transparent sind“. Grundsätzlich finde sie: „Je mehr die EnBW sich aus der Atomkraft zurückzieht und auf die Energiewende umstellt, desto besser.“