Als Sitz für die württembergische Herzoginwitwe Sibylla hat ihr Sohn Johann Friedrich 1609 das Schloss hergerichtet. Für sie ließ er vom Baumeister Heinrich Schickhardt auch einen Renaissancegarten anlegen.

Leonberg - Wir schreiben das Jahr 1609. „Wo zuvor nur Dornen und Hecken gestanden, den fürstlichen Lustgarten samt Pomerantzen Haus und Brunnen Casten gebaut“, hielt der herzogliche Baumeister Heinrich Schickhardt die Fertigstellung des Pomeranzengartens auf der Südseite des Leonberger Schlosses in seinem Werkverzeichnis fest.

 

Heute vermittelt der einzige erhaltene Renaissancegarten in Baden-Württemberg das Lebensgefühl einer vergangenen Epoche. Von der Gartenkunst Italiens beeinflusst, hat Schickhardt hier Gestaltungselemente wie Beetarten und -formen, Pavillons, Brunnen und Geländer streng geometrisch zu einem einheitlichen Gesamtbild zusammengefasst. Von außen gesehen sollte der Garten mit seinen vier Eckpavillons wie eine Festung wirken: Da liegt der Garten, allseits frei, jedoch wohl geschützt als irdisches Paradies mit seiner durch Kunst überhöhten Natur gegen die ungeordnete ihn umgebende Wildnis, die hinter der steil abfallenden Mauer beginnt.

Renaissancegarten haben mehr Pflanzenarten

Ein Renaissancegarten zeichnete sich durch große Pflanzenvielfalt aus. Hier war es möglich, von Blume zu Blume zu gehen. Ihre Schönheit, ihre Seltenheit und die Möglichkeit, sie als Duft-, Gewürz- und Heilpflanze zu verwenden, bestimmten die Auswahl. Auf einer Terrasse baute Schickhardt 1606 ein Pomeranzenhaus, das bereits 1611 erneuert wurde. Hier wurden Feigen, Zitronen, Aloen überwintert und vor allem Pomeranzen, eine Bitterorange, die dem Garten den Namen gaben. Diese Pflanzen standen nicht nur wegen des Duftes und ihrer in der Küche und der Heilkunst verwendeten Früchte hoch in der Gunst, sie galten auch als Statussymbol.

Im westlichen Teil, abgetrennt von dem geometrischen Garten, liegt noch ein Küchengarten. Und am Fuße des Schlosshanges ist der Baumgarten, der als dritter Teil einen Renaissancegarten ausmacht.

Im Zentrum von aus Kreis-, Kreuz-, Quadrat- und Dreiecksformen gebildeten Beeten des Lustgartens sprudelt ein achteckiger mit Balustraden eingefasster Brunnen. Hier steht ein Obelisk, der vom Leonberger Steinmetz Hans Josenhans angefertigt wurde. Der Stein trägt die Inschrift: „Die durchleichtig und hochgeborn Fraw Sibila auserkorn zu Wirtemberg ein Herzogen von Anhalt geborne Fürsten hat anno sechzehen hundertnein disen Plaz genomen ein wie wol er war von wilder Art war doch draus gmacht der Lustiggart solchem zu merem Lust und Ziert hat man dis Waser weit her gfiert.“ Hier wird ersichtlich, wer die Gärtnerin war, für die der Garten errichtet wurde, und die ihn bewirtschaftet hat: die württembergische Herzoginwitwe Sibylla (1564-1614). Die Elemente dieses Brunnens sagen viel über den Charakter der Herzogin aus. Die steinernen Löwenköpfe stehen für Fürstenruhm, die Delfine symbolisieren Rettung sowie Umsicht der Fürstin gegenüber ihren Untertanen und stehen dafür, dass der Fürstenruhm „weit über die Meere“ reicht.

Das Leonberger Schloss als Witwensitz

Auf ihren Wunsch hin ließ ihr ältester Sohn Herzog Johann Friedrich das Schloss Leonberg als Witwensitz herrichten und den Garten bauen. Dafür schenkte die Herzogin dem Baumeister am 4. Juli 1610 einen Becher. Als Sibylla in Leonberg einzog, war sie zuvor 27 Jahre mit dem Herzog Friedrich I., einem prachtliebenden Fürsten, verheiratet. Sie war die Hausherrin der berühmten Stuttgarter Lustgärten. Sibylla galt als ausgezeichnete Gärtnerin und versierte Pflanzenkennerin. Gemeinsam mit ihrer Freundin Helena Magenbruch-Osiander, einer Tochter des Theologen und Arztes Johann Magenbruch und württembergische Hofapothekerin, experimentierte sie mit aus Pflanzen gewonnenen Arzneien.

Nach dem Tode Sibyllas war das Leonberger Schloss noch einmal von 1678 bis 1712 herzoglicher Witwensitz für Magdalena Sibylla, die Witwe des Herzogs Wilhelm Ludwig. 1743 verloren das Schloss und Garten ihren Charakter als fürstlicher Wohnsitz. Der Garten verfiel immer mehr. Bis etwa 1960 wurde er noch kleingärtnerisch genutzt. Von da an verwilderte alles.

Als 1974 der Bewuchs entfernt wurde, erinnerte man sich an den ehemaligen Lustgarten. Er wurde 1980 vom Land Baden-Württemberg als Besitzerin der Schlosses, das heute auch das Finanzamt und das Landgericht beherbergt, nach den Unterlagen von Heinrich Schickhardt grundlegend rekonstruiert. Zum 400-jährigen Jubiläum 2009 ist nicht nur die Bepflanzung des Gartens überarbeitet worden, er ist viel farbiger geworden. Brunnen, Eckpavillons, Obelisken und Geländer haben einen neuen Anstrich und teilweise Goldauflagen bekommen.

So präsentiert sich der Garten wieder als eine beeindruckende Sehenswürdigkeit. Er zeigt sich weitgehend in der Gestaltung, die ihm sein Baumeister 1609 gegeben hat. Das macht den Pomeranzengarten am Rande der Altstadt zu einem gern besuchten Ort der Ruhe und Entspannung.