Seit Oktober geht eine Welle von Fahrzeugaufbrüchen durch Stuttgart. Die Täter gehen dabei rabiat vor: Sie schlagen kurzerhand die Seitenscheiben ein.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Wieder schlagen Autoknacker zu, und wieder machen sie dabei nicht viel Federlesens: An dem geparkten Ford Fiesta wird kurzerhand das Seitenfenster zertrümmert, dann greifen sich die Täter einen Rucksack. Stunden zuvor und gut 600 Meter entfernt, zersplittert das Beifahrerfenster eines geparkten Opel Vectra, eine Handtasche verschwindet. Trotz der lauten Vorgehensweise gibt es keine Zeugen, die etwas gehört haben.

 

Die beiden Fälle haben sich am Dienstag und in der Nacht zum Mittwoch im Stuttgarter Osten abgespielt – und setzen eine Reihe von ähnlichen Fällen fort, die sich seit Oktober auffällig häufen. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es nicht einmal eine Täterbeschreibung. „Ob die Taten in irgendeiner Weise in Zusammenhang stehen, wird noch ermittelt“, sagt Polizeisprecher Sven Burkhardt. Zumindest die rabiate Handschrift der Autoknacker fällt auf.

Seit Tagen klirren die Seitenscheiben

Der betroffene grüne Ford Fiesta stand im Bereich Steinbruch- und Lenninger Straße, und die Tat muss zwischen 22.30 und Mitternacht begangen worden sein. Offenbar hatte bei den Tätern ein Rucksack Begehrlichkeiten geweckt – allerdings enthielt der nur eine Pfandflasche und ein Ladekabel. Der graue Opel Vectra wurde am Dienstag zwischen 15 und 17.30 Uhr ins Visier genommen. Der Wagen war in der Theurerstraße nahe der Grundschule Gaisburg abgestellt. Als die 27-jährige Besitzerin zurückkehrte, fand sie ein zertrümmertes Beifahrerfenster vor. Ihre Handtasche und Bargeld fehlten.

Erst am Wochenende sind geparkte Autos ins Visier geraten. In der Innenstadt, im Norden und Bad Cannstatt klirrten Scheiben, verschwanden Taschen, Geldbörsen und Handys. Auch das Revier Ostendstraße muss nicht zum ersten Mal ermitteln. In der vergangenen Woche wurden in der Planck-, in der Libanon- und Landhausstraße Autos aufgebrochen. Die Automarken sind übrigens beliebig: Mercedes, BMW, Opel. Es lockten Handtasche, Sporttasche, Geldbörsen. Hinweise zu den jüngsten Fällen im Osten werden über Telefon 07 11 / 89 90 - 35 00 erbeten.

Früher 9000 Fälle pro Jahr, zuletzt 900

Werden Autoaufbrüche langsam wieder ein Massendelikt wie in den 1990er Jahren? Damals, mit Höhepunkt 1992, gab es in Stuttgart bis zu 9700 Fälle pro Jahr – vor allem weil die Beschaffungskriminalität von Drogensüchtigen aufbrandete. Inzwischen haben sich die Zahlen deutlich zurückentwickelt. Im vergangenen Jahr wurde ein Tief von 849 Fällen registriert. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der letzten zehn Jahre liegt bei etwas über 1300 Fällen. Und am ruhigsten ging es im Jahr 2016 zu – mit „nur“ 556 Aufbrüchen.

Derweil hat sich qualitativ einiges geändert: Meist werden Fahrzeuge von reisenden Gruppierungen aufgebrochen, um Navigationssysteme, Lenkräder und Airbags für den Schwarzmarkt mitgehen zu lassen – oder um aus Handwerkerautos Werkzeug und Baumaschinen zu erbeuten. Der Schaden ist immens.

Zeuge wird mit Steinen beworfen

Über die Täter ist derweil nur wenig bekannt, weil sie selten erwischt werden. Anfang Oktober beispielsweise wurden in Feuerbach zwei 16 und 17 Jahre alte Jugendliche erwischt – die hatten allerdings nur nach unverschlossenen Fahrzeugen Ausschau gehalten. Besonders rabiat verhielten sich dagegen zwei 25 und 26 Jahre alte Männer, die Mitte August im Stitzenburgviertel in der Innenstadt von einem couragierten Zeugen ertappt wurden.

Als der Zeuge die beiden verfolgte, wurde er mit Steinen beworfen. Die alarmierte Polizei nahm das Duo schließlich in der Altstadt fest und stellte diverse Beutestücke sicher – vom Reifenpannenset über Handys und Fernglas bis zum Garagentoröffner. „Die beiden sind bereits polizeilich auffällig gewesen“, sagt Polizeisprecher Burkhardt. Für die Taten sind sie aus Sachsen und Baden-Württemberg angereist. Nach der Anzeigenaufnahme wurde das das Duo wieder auf freien Fuß gesetzt.