Fahrverbot-Gegner sehen sich durch die aktuelle Entwicklung bestärkt. Betroffene Städte wie Suttgart oder Heilbronn zeigen sich aber zurückhaltend.

Stuttgart - Dass die EU-Kommission nun offenbar Überschreitungen bei den Stickoxidbelastungen bis zu 50 Mikrogramm im Jahresmittel tolerieren will, beflügelt den Stuttgarter CDU-Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann: „Es lohnt sich, bei dieser Problematik noch einmal an alle Stellschrauben ranzugehen.“ Er fordert jetzt noch bestimmter als zuvor, dass die flächendeckenden Fahrverbote in Stuttgart für Diesel der Euro-Norm 4 und schlechter verschwinden.

 

An Stuttgarts Fahrverbot soll sich nichts ändern

Nur die für April geplanten Fahrverbote für Stuttgarter Dieselfahrzeuge dieser Art zu vermeiden, reiche nicht. Auch die seit Jahresanfang geltenden stadtweiten Verbote für auswärtige Dieselfahrzeuge der Euro-4-Norm und schlechter müssten ausgesetzt werden, fordert er. Das sei eine Frage der Gerechtigkeit. Kaufmann ist überzeugt, dass es beim Thema Fahrverbote noch viel Protestpotenzial in der Bevölkerung gebe: „Das Thema kriegt Dynamik.“ Angesichts dessen mache sich bei den Grünen in der Landesregierung Nervosität breit. Allerdings: Nach Einschätzung des Landesverkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) „ändert sich nichts“ nach dem Signal aus Brüssel. Eine nationale Regierung könne nicht die EU-Grenzwerte aushebeln. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ganz klar. „Die besagt: Wenn sonst alles ausgeschöpft ist und die Grenzwerte nicht eingehalten sind, kommt ihr nicht an Verkehrsbeschränkungen vorbei“, sagte Hermanns Sprecher am Mittwoch unserer Zeitung. Daher ergäben sich aus der aktuellen Entwicklung keine Konsequenzen für die in Stuttgart bereits geltenden und für die zum 1. April geplanten Fahrverbote für Diesel der Euro-Norm 4 und schlechter.

In diesen Städten entspannt sich die Lage

Im Rathaus Ludwigsburg bleibt jedenfalls Druck im Kessel. Die Barockstadt hat trotz Fortschritten den Grenzwert von 40 Mikrogramm bei Stickstoffdioxid überschritten. Es drohen bald Fahrverbote, jeden Freitag demonstriert die Initiative „Pro Diesel“ des ehemaligen Mann+Hummel-Chefs Dieter Seipler. „Für uns ändert sich die Lage nicht“, sagt OB Werner Spec (Freie Wähler): „Wir müssen weiter alles tun, um den Verkehr zu reduzieren.“ Die Deutschen Umwelthilfe hält jedenfalls an ihrer Klage gegen Ludwigsburg und andere Städte fest, wie deren Anwalt Remo Klinger bestätigt: „Aus unserer Sicht hat sich die Rechtslage nicht geändert.“ Das Verfahren, das sich formal gegen das Regierungspräsidium Stuttgart richtet, soll in den nächsten Monaten beginnen.

„Die aktuelle Tendenz auf Europa-Ebene entspannt die Situation vielleicht auch für uns“, sagt Harry Mergel (SPD), OB von Heilbronn. Das eigentliche Problem sei damit aber nicht gelöst. „Die Gesundheit der in Heilbronn lebenden Menschen bleibt das oberste Ziel.“ So werde die Stadt weiterhin versuchen, die Stickstoffdioxidwerte zu senken. Dabei setze man insbesondere auf die Digitalisierung des Verkehrs. So sollen Staus vermieden werden. 2018 war an einer der beiden Messstellen in Heilbronn laut LUBW ein Jahresmittelwert von 52 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft gemessen worden. Um ein Fahrverbot ausgerechnet zur Bundesgartenschau kam die Stadt herum, weil noch kein rechtsgültiger Luftreinhalteplan vorliegt.

Auch in Backnang (Rems-Murr-Kreis) wird ein solcher Plan erarbeitet. Die Stadt (49 Mikrogramm) habe dem Regierungspräsidium (RP) zur Vermeidung von Fahrverboten eine Fülle anderer Maßnahmen vorgeschlagen. Dazu zählten eine flächendeckende Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 40 und verkehrslenkende Maßnahmen, sagt der Baudezernent Stefan Setzer. So solle der Ausweichverkehr von der B14 aus der Stadt gehalten werden. An dem Paket wolle man festhalten. „Vielleicht haben wir nun aber mehr Zeit und können es durchdachter umsetzen“, so Setzer. Er erinnert daran, dass im Jahr 2000 noch 109 Mikrogramm an der Backnanger Messstelle verzeichnet worden waren.

Freiburg liegt genau am Stickoxid-Limit

Spannend wird es auch in Freiburg, wo zuletzt an er Schwarzwaldstraße exakt 50 Mikrogramm gemessen wurden. Dort hatte das RP die Ausweisung einer Fahrverbotszone vorgeschlagen, die B31 allerdings ausgenommen. Dort führte die Stadt jetzt Tempo 30 ein. Inzwischen wird dort auch geblitzt. Es bleibe das Ziel, Fahrverbote zu vermeiden, sagte OB Martin Horn (parteilos). Was die neue Situation für die Stadt bedeutet, blieb am Mittwoch offen.